Oper für alle:Ansichtssache

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Oper für fast alle: Wer keine Karte fürs Theater hatte, konnte die Inszenierung via Live-Übertragung auf dem Max-Joseph-Platz verfolgen. (Foto: Stephan Rumpf)

Ein letzter "Tannhäuser" - auf allen Kanälen

Von Klaus Kalchschmid, München

Es war der Aufreger der Saison: Romeo Castelluccis tollkühne Bebilderung von Richard Wagners "Tannhäuser" in Regie, Bühne, Kostüm und Licht. Bevor die Produktion nach Japan verschifft wird und die nächste Spielzeit nicht mehr an der Bayerischen Staatsoper zu sehen sein wird, gab es eine letzte Festspiel-Vorstellung - auf allen Kanälen: im Internet-Live-Stream der Staatsoper, der allerdings dank Fernsehsender Arte, der die Oper ebenfalls und erst um 21.50 Uhr (!) sendete, um dann "aus produktionstechnischen Gründen" den ersten Aufzug als Aufzeichnung vom 4. Juni zu nehmen, kein Live-Stream mehr war, sondern ebenfalls erst um diese Zeit begann. Von 18 Uhr an wurde allerdings auf den Max-Joseph-Platz bei "Oper für alle" übertragen, mit seltsamen Spaßvögeln auf dem roten Teppich und reichlich überflüssiger Moderation von Thomas Gottschalk. Der Live-Stream der Staatsoper hatte gegenüber Arte und "Oper für alle" den Vorteil, dass man die penetrant gelben Ober-/Untertitel ausblenden konnte.

Wer das Glück hatte, im Besitz einer Karte fürs Nationaltheater zu sein, konnte ganz ohne Regenschauer, wenn auch sogar im Parkett schwitzend fast wie in Bayreuth, eine musikalisch großartige Vorstellung erleben. Auch wenn er wieder den Kopf schüttelte über die 20 echten Bogenschützinnen während Ouvertüre und Bacchanal, die rosa fetttriefende Venus (tapfer dagegen ansingend: Elena Pankratova), das Ado-Goldkante-Gardinen-Ballett im zweiten Aufzug und die sieben Stadien der Verwesung von Leichen auf Podesten mit den Namen Anja und Klaus.

Anders als bei der Premiere hemmte die fehlende oder auf ein unsichtbares Minimum reduzierte Personenregie die Sänger nicht mehr. Anja Harteros als Elisabeth gestaltete ungemein fein und differenziert, schattierte einzelne Worte fast wie im Liederabend und verkörperte so eine vielschichtig anrührende Persönlichkeit, die für den geliebten Mann mutig kämpft. Christian Gerhaher trat ebenfalls die Flucht nach vorn an und modellierte mit seinem so facettenreichen Bariton und in der Mimik, was die Regie verweigerte. Ebenso Georg Zeppenfeld als höchst nobler Landgraf. Klaus Florian Vogt hatte es da schwerer. Obwohl ihm die Romerzählung packend gelang, wollte sein so knabenhaft hell timbrierter Tenor dem zerrissenen Tannhäuser wenig Farben, schon gar keine abgründigen verleihen.

Kirill Petrenko ließ sich mit Staatsorchester und dem exzellenten Staatopernchor ebenfalls von der Szene wenig ablenken, setzte mehr auf große Klarheit und Durchsichtigkeit denn auf Überwältigung. Am Ende zu Recht tosender Applaus für alle.

© SZ vom 11.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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