Omer Meier Wellber:Sich verlieben

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Omer Meir Wellber dirigiert die von Roland Schwab inszenierte Oper Mefistofele am 21. und 24. Juli jeweils um 19 Uhr im Nationaltheater. (Foto: Felix Broede)

Der Dirigent findet, wie Musik die ganze Welt ausdrücken könne, so könne ein Augenblick im Leben einer Person schon die ganze Welt sein.

Interview von Susanne Hermanski, Rita Argauer

Die Zerrissenheit seines Heimatlandes ist für Omer Meir Wellber Anstoß für eine Vielzahl musikalischer Projekte. Der israelische Dirigent, der im Januar 2015 erstmals ein Akademiekonzert an der Bayerischen Staatsoper leitete, rief etwa das Education Projekt "Sarab - Strings of Change" ins Leben, bei der der 34-Jährige auf musikalischer Ebene zwischen israelischen und arabischen Jugendlichen vermittelt.

Wie hoch muss der Anspruch eines Künstlers an sich selbst sein?

Ein hoher Anspruch an sich selbst ist wichtig für jeden Künstler, insbesondere für einen Dirigenten. Ein Dirigent muss vollkommen in der Musik sein, aber auch nach außen hin zuhören. Das entwickelt sich mit Ruhe und Zeit.

Wie schnell sehnen Sie das Ende der Vorstellung herbei?

Die Vorstellungen an sich sind für mich das reine Vergnügen. Die schwierigen, wichtigen, arbeitsintensiven Momente liegen für mich in den Proben. Die Vorstellungen sind gewissermaßen das Labor, in dem wir das Ergebnis dieser Arbeit sehen.

Wie weit wollen Sie gehen als Künstler und als Mensch?

Ich denke, dass jeder Moment im Leben wunderbar und interessant ist. Ich bin ein sehr positiver Mensch und das möchte ich mir erhalten, was in diesem Business schwer ist. Und ich möchte immer mit kritischen Augen auf meine Arbeit schauen.

Wann haben Sie sich das letzte Mal verschätzt?

Vielleicht bei meiner Arbeit in Dresden mit Mahlers 8. Sinfonie. Ich habe etwa anderthalb Jahre lang die Partitur studiert. Es war eine Enigma für mich. Ich dachte etwa ein halbes Jahr lang, es klappt nicht. Ich fand den Schlüssel zu diesem großen Werk nicht. Mit der Zeit ließ er sich aber dann doch finden. Es ist ein fantastisches Werk

Ist es vermessen zu glauben, man könne die ganze Welt in Musik ausdrücken?

Nein, denn es steckt wirklich immer die ganze Welt in einem Stück. Auch eine Person oder ein Augenblick im Leben einer Person kann die ganze Welt sein. Jeder Moment für uns ist ein Moment auf der ganzen Welt. Musik ist nicht nur Entertainment, es kann so viel mehr sein. Es ist unglaublich, wenn ein Komponist etwas schreiben will und bereits in diesem Moment sieht, wohin es führen wird. Das ist, wie wenn man sich verliebt.

© SZ vom 22.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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