Öffentlich-rechtliches vs. Privatfernsehen:Die falschen Vorbilder

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Während die gebildeten Schichten dem Medium Fernsehen den Rücken kehren, setzen die Privaten auf "Super-Nanny" und Gameshow - und die Öffentlich-Rechtlichen ziehen mit.

Christopher Keil

Die Geschichte des Fernsehens in der Bundesrepublik Deutschland kennt manche Höhepunkte. Doch sehr früh bekam das neue Massenmedium zu hören, es sei kein Klasse-Medium. Die Deutschen - wie fast alle Kontinentaleuropäer - unterscheiden in ihrer Unterhaltungskultur zwischen E und U, zwischen ernsten und ernstzunehmenden, klassischen Kulturbeiträgen und denen der leichten, vergänglichen Unterhaltung. In den angelsächsischen Ländern ist das anders, weshalb sich Qualitätsurteile dort stärker an der handwerklichen Machart orientieren als an der Beurteilung des Genres, in dem etwas Kreatives handwerklich entsteht.

Fernsehen galt den deutschen Bildungsbürgern per se als Unterhaltungs-Medium. Auch deshalb bekam es einen öffentlich-rechtlichen Bildungs- und Kulturauftrag verpasst und im Gegenzug die Sicherheit einer Gebührenfinanzierung und Unabhängigkeit. Wenn nun Politiker, Akademiker und Künstler entsetzt und wiederholt feststellen, dass in der deutschen Fernsehlandschaft von Bildung und Kultur nichts mehr übrig sei, drückt das aber nur einen Kulturpessimismus aus, den es von Anfang an gab.

"Lagerfeuer" einer Gesellschaft

Doch die Skepsis hat weder zu einem besseren Fernsehen geführt, noch dazu, die Entwicklung des Fernsehens als Leitmedium der Gesellschaft zu stoppen. Und in dem Maße, in dem sich die gebildeten Schichten der Gesellschaft immer radikaler vom Fernsehen abwandten, machte das Fernsehen das Programm für die Schichten, die sich ihm zuwenden: Die Super-Nanny erzieht die Kinder, der Schuldenberater saniert die Haushalte, und die Auswanderer halten den Traum vom neuen Leben hoch.

Solange es kein Internet gab, strukturierte die bis 1984 nur aus ARD, ZDF und den Dritten Programmen bestehende TV-Gewalt den Alltag. Aus der Zeit bis 1984 stammen auch die vielen Gemeinschaftserlebnisse, die ARD und ZDF bis heute vergeblich suchen und am ehesten noch in der Fußball-Live-Übertragung finden. Man sprach gerne vom "Lagerfeuer" einer Gesellschaft.

Problem ohne Lösung

1984 setzten sich die kommerziellen Rundfunkanbieter dazu. Sie führten Sexfilmchen, Gameshows und Soaps ein. Außerdem die Einschaltquote, die Zielgruppe, die Marktanteile. Anstatt sich zu unterscheiden, es mit dem Journalismus ernster zu nehmen, entschiedener auf Dokumentationen moderner Prägung und auf mehr als nur ein paar sehr gut gemachte Krimis zu setzen, fingen ARD und ZDF an, die private Konkurrenz zu kopieren und ihre Stars abzuwerben. In einem System mit der in Europa höchsten Anzahl frei empfangbarer Sender (über 30) muss man sich für 7,3 Milliarden Euro Gebühren ein anderes, ein öffentlich-rechtlicheres Profil leisten. Zumal erkennbar ist, dass die Quoten durch Digitalisierung und Internet-TV sowieso weiter schrumpfen werden - weil immer mehr Rundfunkteilnehmer um die gleiche Zuschauermenge streiten. Das Massenmedium bedient nur noch die einzelnen Teile der Gesellschaft.

Eine Qualitätsoffensive der immer wieder auch sehenswerten öffentlich-rechtlichen und privaten Programme wird eines allerdings nicht ändern: Qualität und Fernsehen stellen ein Problem ohne Lösung dar.

© SZ vom 10.1.2008/kur - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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