Öffentlich rechtliches Fernsehen:Roll over Beetbohlen

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Deutschland sucht den Superdeutschen. Deutschland? Nein, nicht Deutschland. Das ZDF sucht. Das Ganze hat einen volkspädagogischen Zweck und kann nebenbei zeigen, dass das Zweite ein lupenreiner Kultursender ist.

ALEXANDER KISSLER

Verworrene Zeiten, trübe Mienen: Wohin sollen die Deutschen sich bloß wenden, wenn ihnen der Sinn nach Erbaulichem steht? Im 19. Jahrhundert wäre die Antwort klar gewesen: Schau in die Geschichte, hätte es dem Fragenden vom Katheder entgegen geschallt, schau zurück, Untertan, erfreue dich an den Taten der Ahnen. Der 2. September, der Jahrestag des Sieges über die Franzosen, war für Rückblicke prädestiniert. "Unsere Jünglinge", hieß es, "sind einst mit flammender Begeisterung auf den Ruf des greisen Heldenkönigs zu den Fahnen geeilt." Heute will kein König rufen, und an Helden herrscht Mangel - doch Rettung naht: Mit wilhelminischem Pathos verspricht das ZDF die Wahl des "größten Deutschen aller Zeiten". Jetzt sind die ersten 100 Kandidaten bekannt.

Nur so kann er aussehen: Der deutscheste aller deutschen Superstars, Dieter van Beetbohlen. Gemach, alles wird becher. (Foto: SZ v. 05.08.2003)

Der neue Sedanstag wird Ende November seine Uraufführung erleben, wenn Johannes B. Kerner die "Finalshow" präsentiert. Zuvor dienen fünf "Doku-Shows", eine "Eröffnungsshow" und eine Abstimmung im Internet der Vorauswahl. Folgt man Guido Knopp, dem Leiter der Redaktion Zeitgeschichte, dann dient das Unternehmen einem volkspädagogischen Zweck. Die Deutschen sollen erkennen, dass "eine Nation, die sich so selten auf ihre Stärken besinnt, reich an Besten ist." Schöner hätte es Johann Gottlieb Fichte in seinen "Reden an die deutsche Nation" nicht formulieren können, und Fichte ist immerhin einer der acht Philosophen, die das ZDF nun nominierte. Er darf sich zu den "großen Denkern" rechnen, die "internationale Maßstäbe setzten" - ebenso wie Freud, Fromm, Habermas und als einzige Frau Hannah Arendt. Ihr wird nachgerühmt, sie habe "bei Karl Jaspers promoviert."

Aufrichten soll sich das wehleidige Deutschland an einer Elite, die einst sämtliche Weltmärkte dominierte: den Markt für "Legenden" bestimmten Götz von Berlichingen, Till Eulenspiegel, Kaiserin Sissi, während Dietrich Bonhoeffer, Georg Elser, Karlheinz Böhm unschlagbar sind als "Vorbilder". Die beiden umfangreichsten Kategorien wurden offenbar eigens für das Projekt "unsere Besten" geschaffen. 17 Anwärter, darunter Frank Beyer und Roy Black, trugen "maßgeblich" bei zur "Unterhaltungs- und Informationskultur". Womit bewiesen wäre, dass das ZDF, das nach Auskunft seines Intendanten "nicht in die Seriositätsfalle tappen" und dennoch die Anstalt mit dem "größten Informationsangebot" bleiben will, ein lupenreiner Kultursender ist.

17 Anwärter fanden die Mainzer auch in der Rubrik "Geschichte", die sie kühn mit Politik gleichsetzen. Die Gnade des Alphabets lässt den "Arbeiterkaiser" August Bebel und seinen Widersacher Bismarck aufeinander folgen. "General Vorwärts" alias Fürst Blücher von Wahlstatt schließt sich an, Joschka Fischer wenig später.

Die Kandidaten sollen ein Pantheon bilden der mutigsten, genialsten, durchsetzungsfähigsten Deutschen. Beethoven darf als "Superstar der klassischen Musik" ebenso wenig fehlen wie "Allroundstar" Dieter Bohlen. Kunst und Kommerz: Wer für Schlagzeilen gut und kein Nazi gewesen ist, darf im ZDF die Quote steigern und der Produktionsfirma MME, die schon "peep!" und "girlscamp" unters Volk brachte, die Kassen füllen. Damit Knopps Versuch eines neuen Heldengedenktags glückt, müsste jedoch Unvereinbares vereint werden - das autoritäre 19. und das unverbindliche 21. Jahrhundert.

Solange kein Zaubertrick die Zeitalter zum Schmelzen bringt, lässt sich die pompöse Staatsaktion mit einem einzigen ironischen Satz aus den Angeln heben. Dietmar Ossenberg, der Moderator des "auslandsjournals", spricht einen solchen Satz aus: Friedrich II. sei "natürlich" der größte Deutsche. Der Stauferkönig "war ein halber Italiener, ein großer Wissenschaftler und ein gnadenloser Weiberheld. Was will man mehr vom Leben?"

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