Neues Album: "Guero":Beck´s back

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Hallöchen in der Schnickschnack-Boutique: Der flamboyante, das meint: farbenprächtige, heftige, energische Musiker Beck will immer noch kein Popstar sein. Und so rumpelt sein neues Album auch nur gepflegt vor sich hin.

KARL BRUCKMAIER

Die neue Beck-Platte "Guero" klingt wie eine Beck-Platte.

(Foto: N/A)

Früher war das mal ein Lob. So um 1995. Obwohl man schnell nicht mehr ganz genau sagen konnte, was das ist, eine Beck-Platte. Zu unübersichtlich die Gemengelage. Zu groß Becks Zitatenschatz. Zu postmodern verspielt die Produktionen, um wirklich einen für Beck typischen Stil heraushören zu können. Was eben sein Stil war.

Zu verwirrend auch das Vertragskonstrukt, das Beck Hansen, Enkel des Fluxus-Protagonisten Al Hansen, Mitte der Neunziger mit Pop-Svengali David Geffen ausgehandelt hat: Die kommerziellen Erfolg versprechenden Platten sollten bei Geffen erscheinen; was keinen hitparadenfähigen Eindruck machte, durften Kleinstfirmen mit hoher künstlerischer Glaubwürdigkeit wie K Records raushauen, auf dass der Glanz des Indietums das Glänzen der Taler im Geldspeicher von Hansen und Geffen überstrahlen möge.

Schlauer Plan, allerdings beschäftigten alle beteiligten Parteien schnell mehr Anwälte als Studiomusiker, um entscheiden zu können, welche Aufnahmen eines millionenfach verkaufenden Popstars denn nun unkommerziell genannt werden können und welche nicht.

Da dies alles zu Zeiten stattfand, als Geld noch keine wirkliche Rolle zu spielen schien, einigte man sich schließlich gütlich und Beck fuhr fort, Beck-Platten zu machen, die ohnehin in Sachen kommerzieller Erfolg langsam zu wünschen übrig ließen. Wie's halt so geht.

I'm a loser, baby, why don't you kill me. Zehn Jahre ist das schon wieder her. Und wir leben immer noch.

Beck hat inzwischen mit Air gearbeitet, mit den Flaming Lips, mit Emmylou Harris und mit Timbaland, man kann ihm also weder Untätigkeit noch mangelnde Hipness vorwerfen, nein, aber etwas wenig Verve.

Rechterhand zog Moby als neuer König der Frisörläden an ihm vorbei. Links außen fährt sich Adam Green durchs wirre Haar. Und mittenmang ist dann plötzlich mit Moos nicht mehr viel los.

So ist es nicht verwunderlich, dass Beck mit 35 Jahren auf jene Ingredienzien zurückgreift, die Beck mit 25 zum Welterfolg verhalfen, also Blues plus Beats plus die Dust Brothers, die im vergangenen Jahrzehnt so ziemlich jedermann von den Beastie Boys bis zu den Rolling Stones den vermeintlich zeitgemäßen Sound verpasst haben.

"Guero", das am Montag in die Läden kommt, ist also eine Beck-Platte, vielleicht sogar eine gute, alte Beck-Platte. Am auffälligsten - neben den Latino-Sprachelementen - ist das Rumpeln. Die neue, vielleicht gute, alte Beck-Platte rumpelt. Die Dust Brothers haben einen Haufen klingender Wackersteine in den Wanst des Beck-Monsters genäht, die bei jedem Zappeln des blonden Ex-Wunderkindes komische Geräusche machen, die an Folk, Country Blues, Soul erinnern sollen.

Um jeden identifizierbaren Klang legen sich sofort verfremdete Mundharmonikas, Slide-Gitarren, Tamburine, umschmeicheln einen exquisit gewählte Samples von Klaus Ogermann und den Temptations bis zu den Ohio Players oder Beastie Boys. Gastauftritte von Money Mark, Jack White oder Petra Haden unterstützen den ansonsten Allesalleinspieler Beck.

Das Rumpeln ist also kein eigentliches Rumpeln; es ist Designer-Rumpeln. Schließlich ist es von der Postmoderne zur Schnickschnack-Boutique nur ein kleiner Schritt. Wie das Artwork der CD, das ständig auf alles und jeden und auf Aubrey Beardsley und Charles Fort verweist, so deutet auch die Musik ständig auf diese Fitzelchen Gestern, aus denen sie gemacht ist.

Und vergisst darüber das Heute, das die Zettelkastenwirtschaft, die Beck einst groß gemacht hat, längst hinter sich gelassen hat und von seinen Stars wenn schon keine Authentizität, so doch Eindeutigkeit verlangt. Dabei - und hier berühren wir einen Grundwiderspruch in seinem Werk - verdankt Beck seine Bedeutung genau nicht seiner auf vielen Alben ausgelebten (post)modernen Cleverness, sondern einem einzigen Song, der die Zeitstimmung exakt auf den keineswegs herumspringenden Punkt gebracht hat, nämlich "Loser", herrlich einfach, unwiderstehlich charmant. Und allgemein verständlich. Ein Popsong eben.

Dieser Song eröffnete ihm eine Karriere als Popstar, aber wie zu viele Musiker seiner Generation - wie Björk, Sinead O'Connor, Oasis oder Badly Drawn Boy - tat und tut Beck alles, um genau das Versprechen dieses einen Songs nicht einlösen zu müssen, um nicht in die Welt zu treten und sie zu umarmen, zu trösten, glücklich zu machen, sondern er überlässt diese natürlich auch mit Selbstaufgabe und Verzicht verbundene Mission einem Robbie Williams oder einem Justin Timberlake.

Was man Pop und der Welt leider anmerkt. Lieber richten sich die Becks auf diesem Planeten in einer geschmackvoll und bequem ausstaffierten Rumpelkammer ein und produzieren edle Rumpelmusik, die ab und an einen Kritikerjubel auslösen mag. Und Kollegenlob. Meist aber bloß Indifferenz. Wie "Guero". Die CD wäre eine aller Ehren werte Anstrengung eines Newcomers, der zu viel späten Tom Waits, Jon Spencer Blues Explosion und vielleicht Moby gehört hat. "Guero", würde man dann sagen, erinnert einen auch sehr an eine gute, alte Beck-Platte. Was ist eigentlich mit dem los? Von dem hat man auch schon lange nichts mehr gehört.

© SZ v. 18.03.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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