Neuer Film mit Josef Hader:"Stop! Mann! Scheiße!"

Lesezeit: 3 min

Vom Mord, den Leute aus gutem Grund begehen: Wolfgang Murnberger hat nach "Komm, süßer Tod" wieder zugeschlagen. In dem neuen Brenner-Kriminalfilm sehen wir wieder den unglaublichen Josef Hader auf den Spuren des unglaublichen Humphrey Bogart.

FRITZ GÖTTLER

Dashiell Hammett, so hat Raymond Chandler 1950 geschrieben, in seinem wunderschönen luziden Essay über "The Simple Art of Murder", Dashiell Hammett also gab den Mord jenen Leuten zurück, die ihn aus guten Gründen begehen - und nicht nur, um den Krimis ihre Leiche zu liefern.

Brenner (Josef Hader, l) wird vom Sportpräfekten Fitz (Joachim Krol) unter der Dusche gestört. (Foto: Foto: dpa)

Das gleiche könnte man von Wolf Haas sagen, der die Romanserie um den (Ex-)Cop Simon Brenner schrieb, und von Josef Hader, der den Brenner in den Verfilmungen spielt, und von Wolfgang Murnberger, der dabei Regie führt.

Die besten Gründe für die simple Kunst des Mordens scheint es gegenwärtig in Salzburg zu geben, der Festival-, der Mozart-, der Touristenstadt, die ganz dem Motto "Get this feeling" vertraut.

Salzburg, das ist Bourgeoisie total, das heißt, hier herrscht die nackte Korruption, eine Art Kulturfaschismus.

"Und wenn so ein Milieu wie ein aufgeblasener Luftballon ist", erklärt Wolf Haas, "dann kriegt man einfach unbändige Lust, da mit einer Stecknadel hineinzugehen und zu schauen, was danach noch übrig bleibt."

Nur wenig ist zum Beispiel übrig geblieben von Gottlieb Dornhelm. Er war der Schwiegersohn des Festspielpräsidenten und eine so verkorkste, unglückliche Existenz, dass manche versucht sind, ihn als Heiligen anzusehen.

Aber eines Tages hat der Gottlieb ein Erlebnis aus seiner traurigen Jugend hervorgekramt und den Erzbischof der Diözese beschuldigt, er hätte ihn vor 25 Jahren sexuell belästigt, als er noch Erzieher im Marianum war, dem Elite-Knabengymnasium.

Und dann ist der Gottlieb plötzlich tot, runtergeschubst vom Mönchsberg, der berühmt ist für seine Aussicht und dafür, dass er immer wieder Selbstmörder anzieht.

An diesem Punkt fängt, von der Witwe instruiert, Brenner das Ermitteln an, unterstützt von seinem alten Kumpel Berti (Simon Schwarz), er schleicht sich als Obdachloser ins Marianum ein - wo es jede Menge Tischfußball und philippinische Hausmädchen gibt und den Sportpräfekten Fitz (Joachim Król) - und danach in eine wüste Opernprobe für eine Festspiel-"Entführung".

Der Opernregisseur dort - gespielt von dem jungen Alleskönner Christoph Schlingensief, der im Vorjahr den Parsifal in Bayreuth inszenierte - führt sich wunderlich und emphatisch gegenüber der Sängerin auf: "Stop! Mann! Scheiße!"

Der neue Film, durch die Vorgänge in der Anstalt von St. Pölten mit unerwarteter Aktualität beladen, geht weit über den erfolgreichen ersten Brenner-Film "Komm, süßer Tod" hinaus, hier gibt es nur noch die allerletzten Reste des grotesken Grand Guignol, den die tollkühnen Wiener Sanitätsfahrer in ihren rasenden Kisten veranstalteten, und der Hader hat nichts mehr von einem Kabarettisten, ist eine Mischung aus müden Blicken und kargen Vierwortsätzen, aus Resignation und Widerspruchslust und Sarkasmus.

Dieser Hader ist vielleicht der beste Marlowe, den man sich heute denken kann, und einen besseren wird man auch im amerikanischen Kino nicht auftun.

Einmal sucht er, bei einem Kumpel untergekommen für ein paar Nächte, verbissen und ohne Rücksicht auf Verluste oder Kratzer auf einer Schallplatte die Stelle, wo das richtige Stück kommt, und man wünscht sich fasziniert, er möge es nie finden.

"Silentium" ist ein wunderlicher kleiner Heimatfilm geworden, ein Film über die Heimat oder, wie man's nimmt, die Heimatlosigkeit, über jenes Hinundher zwischen verschiedenen Orten, das der Brenner süffisant in die Parabel von dem Leberkäs und den Knackwürsten packt.

Eine Schwester im Geiste meint er in Konstanze zu finden, die Gottliebs Witwe ist und die Tochter des Festspielpräsidenten (Maria Köstlinger). Sie ist der Ausputzer der Familie, und sie versucht, das beste aus der Rolle zu machen.

Die erste Begegnung der beiden findet in einem Kaufhaus statt, da erwischt Brenner sie, wie sie einen heißen Slip klaut. Das ist als kleine Studie in Voyeurismus inszeniert und wird dann fast zu einem sexuellen Akt.

Kurz darauf läuft sie ihm auf dem Mönchsberg über den Weg, hält ihn für einen Selbstmörder, so wie ihr Mann angeblich einer war, und sagt deshalb schnell: Sagen Sie was Blödes, damit ich nicht weinen muss ... Sie weiß natürlich es, war kein wirklicher Selbstmord, es war ein lächerlicher Tod, von Intrigen bedingt und daher unvermeidlich. "Es ist nicht komisch", schrieb Chandler, "wenn ein Mensch umgebracht wird, aber es ist manchmal komisch, wenn er für so wenig umgebracht wird und dass sein Tod die Münze dessen sein soll, was wir Zivilisation nennen."

Der Film erspart einem nichts, im Grausamen und Brutalen wie im schaurig Lächerlichen - aber er übersteht sogar solche Albernheiten wie eine Christus-unterm-Kreuz-Einlage von Hader, einen Kicker-Alptraum und eine blöde North-By-Northwest-Parodie.

Bis zum Ende behält er die stille Zärtlichkeit bei, die er dem kleinen Gottlieb widmet - am Anfang hat er uns im Schnelldurchlauf durch Familienaufnahmen eine Kindheit erleben lassen, die das Zeichen der Unschuld trägt.

SILENTIUM, Österreich 2004 - Regie: Wolfgang Murnberger. Buch: W. Murnberger, Josef Hader, Wolf Haas. Kamera: Peter von Haller. Schnitt: Evi Romen. Musik: Sofa Surfers. Mit: Josef Hader, Simon Schwarz, Joachim Król, Maria Köstlinger, Udo Samel, Jürgen Tarrach, Rosie Alvarez, Anne Bennent, Johannes Silberschneider, Christoph Schlingensief, Herbert Fux. Senator, 116 Minuten.

© SZ v. 02.03.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: