Neue Veranstaltungsreihe "Ton-Satz":Die Welt von gestern

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Drei Männer, die auf höchstem Niveau das Publikum mit ihrem Wissensschatz unterhalten: Sir Eliot Gardiner, Bernd Neuhoff und Uwe Tellkamp (von links). (Foto: Peter Meisel/BR)

Uwe Tellkamp und John Eliot Gardiner inspirieren im Literaturhaus

Von Eva-Elisabeth Fischer, München

Schön, dass man sich so etwas Altmodisches traut. "Ton-Satz", die neue Reihe des Literaturhauses in Kooperation mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, die just in die zweite Runde ging, beschäftigt sich mit dem Verhältnis von Literatur und Musik, von Wort und Klang. Sie fragt nach den jeweiligen Eigenheiten und demnach auch Unvereinbarkeiten, aber auch der denkbaren Synthese dessen, was komponiert und gehört, geschrieben, gelesen, aber auch gesprochen und gesungen werden kann. Das Verwegene liegt darin, dass "Ton-Satz", in der Anmutung fast so intim wie ein Salon, die inhaltliche Auseinandersetzung mit einem Kunstgegenstand sucht. Das erscheint einem zumal deshalb als Wagnis, da der Begriff Kunst bisweilen als vernachlässigbare Größe zu gelten und die Kunst selbst ein nicht nur gesellschaftlich irrelevantes, überflüssiges Unterfangen zu sein scheint.

Ebenso altmodisch wie der Topos wirkt einer der beiden Gäste: Uwe Tellkamp, 1968 in Dresden geboren, Autor des gefeierten Nachwende-Romans "Der Turm", schaut mit 49 noch immer aus wie ein braver Student aus dem Fünfzigerjahren und argumentiert so ernst, was sein Gesprächspartner Sir John Eliot Gardiner wohl "sehr deutsch" nennen würde. Aufgewachsen in einem Musikhaushalt und ebenso begeisterter Hörer von Bach wie Rammstein, umkreist Tellkamp nun anstelle von Sibylle Lewitscharoff hochgebildet mit dem gleichermaßen lässig wie entschieden argumentierenden Dirigenten und Chorleiter Ludwig van Beethovens Klaviertrio in D-Dur, op. 70.1, lebhaft und klug hinterfragt von BR-Musikredakteur Bernd Neuhoff.

Zuerst einmal aber bringt das junge Trio Gaon mit Jehye Lee (Geige), Tae-Hyung Kim (Klavier) und Samuel Lutzker (Cello) die wegen ihres tiefgründigen langsamen Mittelsatzes "Geistertrio" genannte Komposition zu Gehör: ungestüm und beherzt und dabei glasklar phrasierend im ersten und dritten Satz, was, vor allem dank des seelenvoll singenden Cellos die verschattete Magie des zweiten Satzes eindringlich zur Geltung bringt. Und die Podiumsgäste so richtig in Fahrt, die Gardiner weg von der absoluten Musik zu den Textvertonungen von Schubert, Schumann und Mendelssohn führt. Dabei illustriert er das Dilemma, wonach das Gedicht oder der Psalm sehr gut, aber auch nicht zu gut sein dürften, auf dass die Musik darüber nicht zur Dienerin verkümmere. Neid vor der "Schwesterkunst"? Gewiss nicht, denn wie die Malerei sei die Musik eine universale, überall verständliche Kunst.

Tellkamp, der den Bogen von Shakespeare zu Thomas Manns "Doktor Faustus" schlägt, in dem sich die Struktur des Wagnerschen "Rings" wiederfände, schildert den Einfluss der "Schwesterkunst Musik" an der "Ouvertüre" des "Turms". Da habe er den Ehrgeiz gehabt, die Achtziger in der DDR "in Klang und Rhythmus der Sprache zu vermitteln". Dieses "Wie-durch-Leim-Waten" wollte er in Worten nachbilden. Am Ende hebt Tellkamp an zur Eloge auf den "Kritikerpapst" Joachim Kaiser, dessen Besprechungen Dresden, "das Tal der Ahnungslosen", weiland nur als Kassiber erreichten. Dies ein Anachronismus, fürwahr.

© SZ vom 07.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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