Neue Musik:Brüder im Geiste

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Der eigenwillige Komponist Thomas Larcher hat für den eigenwilligen Tenor Mark Padmore "A Padmore Cycle" geschrieben

Von Rita Argauer

Mark Padmore hüpft regelmäßig in zehn Grad kalte englische Gewässer. Das sagt zumindest der österreichische Komponist Thomas Larcher. Und für den sei das wiederum ein Grund gewesen, dem britischen Tenor einen Zyklus auf den Leib, besser auf die Stimme zu komponieren. "A Padmore Cycle", der nun vom Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks und Mark Padmore - als letztes Konzert der Zeit Padmores als Künstler in Residenz in München - aufgeführt wird. In einer Fassung für Orchester. Denn ursprünglich ist der Zyklus nur für Stimme und präpariertes Klavier komponiert.

Thomas Larcher ist zu den Proben nach München gekommen. Und erklärt, dass es immer besser sei, ein Werk für jemanden zu komponieren als für niemanden zu komponieren. Gerade schreibt er an einer Oper, die Besetzung stehe noch nicht fest, und ohne die jeweiligen Interpreten vor Augen, falle ihm das sehr viel schwerer. Der 53-jährige Komponist hat sowieso eine enge Bindung zu seinen Interpreten. Und gerade Padmore, der eben etwas außerhalb des Glamour-Klassik-Zirkus stehe, der in kalte Seen springe und dabei keine Angst um seine Stimme habe, der experimentiere und einen eigenen Kopf habe, sei ein ausgesprochen lieber Interpret, sagt Larcher. "Der Mark ist besonders, der ist so außerhalb des ganzen Musiker-Getues, er ist jemand, da weiß ich, er probiert auch gerne etwas aus. Das macht es für mich einfach."

Larcher hat selbst als Interpret begonnen. Während seiner Kindheit in Innsbruck spielt er manisch Klavier, mit knapp 20 Jahren kommt er zum Studium nach Wien. Fach: Klavier. Er habe zwar immer schon komponiert, Kammermusik für sich und seine Freunde geschrieben, doch die musikalische Ästhetik, die die Kompositionsklassen in Wien in den Achtzigerjahren verfolgten, schreckte ihn ab: "Ich habe immer gedacht, das kann ich nie", sagt er. Auch jetzt im Rückblick sei ihm das alles zu "verschwurbelt und zu hochgestochen" gewesen. "Das hat sich nicht in Deckung gebracht, mit dem was ich konnte."

Jetzt komponiert Larcher auf eine gewisse Art erstaunlich zugänglich. Er hat seine Musik entkoppelt von den Abstraktions-Dogmen der avantgardistischen Moderne. Seine Musik ist tonaler, was ihm öfter den Vorwurf des "Edel-Kitsches" einbrachte. Damit wird man ihm aber nicht gerecht. Denn Larcher hat einen ausgesprochen hohen Anspruch an die Abbildung seiner Gegenwart. "Ich begegne jeden Tag den Schönheiten und Scheußlichkeiten der heutigen Welt", sagt er, deshalb sei es für ihn nur logisch, dass das Neue auch einfach immer das Wichtigste sei. Deshalb hat er auch als Interpret hauptsächlich Neue Musik gespielt, und deshalb hat er das Klangspuren Festival in Schwaz in Tirol gegründet und beinahe zehn Jahre lang geleitet. Der Blick auf das Neue, also das Gegenwärtige ist für ihn selbstverständlich, auch wenn das in der klassischen Musik im Normalfall eigentlich ganz gegenteilig ist.

Nur ist die Gegenwart heute eine andere als von 40 Jahren. Dementsprechend klingt Larchers Musik anders als die Moderne des 20. Jahrhunderts, die man heute auch immer noch Neue Musik nennt. Die Frage nach der Tonalität etwa ist Larcher egal, er sei vielmehr auf der Suche nach einer "dialektischen Spannung" in der Musik. "Rein intellektuelle Musik ist genauso fad, wie wenn man nur auf die Herz-Taste drückt", sagt er. Also ginge es ihm mehr darum, Klischees zu vermeiden.

Mit dieser Haltung ist Larcher ausgesprochen erfolgreich. Eine Professur an der Musikhochschule Basel für Klavier gab er zugunsten des Komponierens auf. Die Münchner Philharmoniker werden im Herbst 2017 seine "Symphonie Nr. 2" aufführen. Eine erste Symphonie gibt es nicht. Denn auch formal weicht Larcher, der sich der orchestralen Musik erst spät zuwandte, den Klischees aus. Er bedient sich aber der Vergangenheit, wenn sie ihm bei seiner Suche nach Neuem helfe. Es sei ihm wichtig, den Zuhörer, der regelmäßig klassische Musik höre, "in eine andere Umlaufbahn zu schicken".

Doch in erster Linie komponiert Larcher für seine Interpreten. Er, der selbst so viel Zeitgenössisches interpretiert hat, weiß um die Wünsche der "Spieler" und genießt solche Zusammentreffen wie mit Padmore. Doch obwohl dieser Zyklus nach Gedichten zweier Tiroler Autoren die Interpreten-Widmung so prominent im Namen trägt, sei es natürlich jedem offen, sich dieses Werks anzunehmen. Zuletzt hat das etwa Julian Prégardien getan, der das viel lichter und leichter gesungen habe als Padmore. Larcher ist über beide Interpretationen glücklich.

A Padmore Cycle ; BR-Symphonieorchester und Mark Padmore, Donnerstag und Freitag, 18. und 19. Mai, 20 Uhr, Philharmonie, Rosenheimer Str. 5

© SZ vom 18.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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