Neu im Kino: "Freedom Writers":Lesen für die Under-Dogs

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Im Film "Freedom Writers" kämpft Hilary Swank nicht mehr im Boxring, sondern im Klassenzimmer, um schwererziehbaren Jugendlichen ein besseres Leben zu ermöglichen.

Doris Kuhn

Hilary Swank war einmal ein hartes Mädchen. Sie hat eine Kellnerin aus den Slums gespielt, die Boxen lernt und jede Gegnerin sofort niederstreckt - in "Million Dollar Baby". Davor hat sie ein Girl gespielt, das sich Socken vorn in die Hose stopft, um als Junge durchzugehen und dem Elend eines Lebens im Trailerpark zu entkommen - "Boys Don"t Cry".

Engagiert und hartnäckig: Hilary Swank als Lehrerin. (Foto: Foto: ddp)

Sie hat, in ihren besten Rollen, die Perspektive der Perspektivlosen übernommen, und sie konnte dabei jedem klarmachen, dass die Auswege aus einer solchen Position nicht sonderlich zahlreich sind. Jetzt, vielleicht als Antwort auf diese Rollen, kehrt sie zurück in die Welt der Armen, der Ungebildeten, der ethnischen Minderheiten, allerdings auf der anderen Seite. In Richard LaGraveneses "Freedom Writers" vertritt sie das gutbürgerliche Wohlwollen, das den sozial Schwachen neue Chancen vermittelt. Sie spielt Erin Gruwell, eine Lehrerin, die sich in einer Highschool nahe Los Angeles in den neunziger Jahren einen Namen macht.

Der Film erzählt eine wahre Geschichte

Die Geschichte gehört zum Genre der "Based on a true story"-Filme. Erin Gruwell ist keine erfundene Figur. Sie unterrichtete tatsächlich eine Klasse von Schülern, die - Latinos, Schwarze, Asiaten - als kaum erziehbar galten, und sie schaffte es nicht nur, diese in lesende, gute Noten erzielende, der Bildung zugewandte junge Menschen zu verwandeln, sondern führte mit ihnen auch noch Tagebücher über diesen Prozess. "Freedom Writers" erzählt die Geschichte beider Seiten, die der Lehrerin und die der Schüler, was auch die Geschichte zweier Welten ist, die normalerweise parallel existieren würden, ohne die jeweils andere wahrzunehmen. Die Schule allerdings ist der Ort, an dem sie in Kontakt treten müssen, und diese Annäherung führt zu den unvermeidlichen Kollisionen.

Das Klassenzimmer 203 bedeutet für die Schüler nur eine weitere kleine Konfliktzone neben der häuslichen, der auf der Straße, der in der Gang, der im kriminellen Umfeld. Für Erziehung gibt es in ihrem Leben wenig Zeit und wenig Anlass. Für die Lehrerin aber ist es der Lebensinhalt, und mit umwerfender Naivität macht sie sich daran, der abgebrühten Klasse zu beweisen, dass Bildung ein Motor sein kann, der Veränderungen in Gang setzt.

Hilary Swank spielt eine starke Charakterrolle

Sie setzt ihr "Freedom Writers"-Projekt durch, gegen die provozierende Gleichgültigkeit der Schüler, die engstirnigen Widerstände der Kollegen. Schön ist, wie der Film sich auf diese Figur konzentriert, auf die Frau mit dem unspektakulären Leben, dem konservativen Hintergrund, der vielversprechenden Ehe - eine Frau, die eigentlich wirkt, als müsse man in ihrem Unterricht vor Langeweile ohnmächtig werden. Aber sie hat zwei Fähigkeiten, die sie herausheben aus dem Rest des Highschool-Betriebs: Hartnäckigkeit und Interesse, und schnell lernt sie von ihren Schülern genauso viel wie diese von ihr.

Der Regisseur Richard LaGravenese hat die Drehbücher geschrieben zu Filmen wie "Der Pferdeflüsterer" oder "Die Brücken von Madison County". Er kennt sich also aus mit den Fallen der Sentimentalität im Kino, mit der Gratwanderung zwischen Rührung und Albernheit, und er hat sie bisher ganz gut gemeistert.

Schule als ein Ort der Sicherheit

Das gelingt ihm auch in "Freedom Writers", wo er es keineswegs leicht hat, denn das Thema ist abgedroschen genug, um sofort gewissen Widerstand beim Zuschauer zu mobilisieren. Hier hilft Hilary Swank, die immer noch ein toughes Mädchen ist, sogar mit Perlenkette und Kostüm. Und es hilft auch das Wissen um die Wahrheit der Geschichte, das dafür sorgt, dass man ihr so lange Kredit gibt, bis man plötzlich von ihr gefangen genommen wird.

Denn neben dem alten "Lesen-hilft"- Motto, neben dem immer verführerischen Mythos von der Lehrerin, für die man alles können will, bietet "Freedom Writers" noch eine andere Sicht auf die Schule. Er zeigt sie als einen Ort der Sicherheit im Trubel von Adoleszenz und Großstadt, und er schafft es tatsächlich zu vermitteln, dass sie Möglichkeiten bietet, die nicht für jedes Kind eine Selbstverständlichkeit sind.

FREEDOM WRITERS, USA 2006 - Regie: Richard LaGravenese. Buch: Richard LaGravenese. Nach dem Buch "The Freedom Writers" Diary" von Erin Gruwell. Kamera: Jim Denault. Musik: Mark Isham, RZA. Mit: Hilary Swank, Scott Glenn, Patrick Dempsey, Imelda Staunton, April Hernandez, Mario, Kristin Herrera, Vanetta Smith, Anh Tuan Nguyen, Will Morales. UIP, 123 Minuten.

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