Neu im Kino: "Dan - Mitten im Leben":Witzige Ratschläge für den grausamen Alltag

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Endlich ist Juliette Binoche wieder sinnlich und zauberhaft: Steve Carell als Kolumnist Dan hat ihre Zuneigung bitter nötig. Eine Romantikkomödie wie eine Kugel Stracciatella-Eis.

Hans Schifferle

Manchmal kommt es vor, dass ein Star am Kinohimmel nicht plötzlich aufblitzt, sondern langsam, aber mit Nachdruck erstrahlt. Steve Carell ist seit "Little Miss Sunshine" so ein Kinostar: ein Mann, der auf den ersten Blick beinahe unscheinbar wirkt, aber alles beherrscht von der Slapstick-Komik bis zur romantischen Rolle. Zudem verkörpert er den amerikanischen Mann par excellence, besonders für ein europäisches Publikum.

Manchmal kommt es auch vor, dass sich am Kinohimmel das Strahlen eines Stars verstärkt, als sei er mit neuer Leuchtkraft versehen. Das ist nun bei Juliette Binoche der Fall, die zuletzt ein wenig altbacken wirkte. Jetzt agiert sie auf einmal wieder sinnlich und körperbetont, mit einer zauberhaften Maria-Montez-Frisur schwankt sie zwischen Melancholie und der Leichtigkeit des Seins. Zudem ist sie die europäisch-kosmopolitische Frau par excellence, besonders für ein amerikanisches Publikum.

Steve Carell und Juliette Binoche sind in Peter Hedges' Film zwei Menschen, die in einer Art komischem Liebes-Suspense zueinander finden müssen. Ihre erste, zufällige Begegnung ist bereits traumhaft schön - in einem kleinen Buchladen an der verlassenen und verregneten Küste von Rhode Island spricht Binoche den erstaunten Carell an. Sie hält ihn für einen Angestellten und fragt nach einem Buch, einem Liebesroman möglichst, der sie überraschen und zugleich innerlich bestätigen soll. Carell empfiehlt ihr ein ganzes Kompendium, von "Anna Karenina" bis zum Schundroman. Dabei wird in Hedges' genau getimter Inszenierung klar, dass Carell selbst dieses perfekte Buch wäre für Binoche - oder gar der Film, den wir gerade sehen.

Peter Hedges, der bekannt wurde als Autor der Romanvorlage und des Drehbuchs von "Gilbert Grape", einem Erfolgsfilm mit Leonardo DiCaprio, hat mit "Dan" gewissermaßen einen romanhaften Film gedreht, der beinah das Gegenteil einer Romanverfilmung ist - und, nebenher, eine Reflexion über die Konstruktion von Wirklichkeiten und Phantasien.

Workshop der Gefühle

Bezeichnenderweise ist der von Carell gespielte Dan ein Kolumnist, der in der Zeitung verzweifelten Lesern witzige Ratschläge für den grausamen Alltag erteilt. Ausgerechnet Dan, der selbst einigen Rat und einigen Trost nötig hätte - er ist Witwer mit drei Töchtern, zwei davon im gefährlichen Juno-Teenager-Alter. Wie in allen guten Komödien lauern auch in "Dan" Tristesse und Schmerzlichkeit gleich unter der komischen Oberfläche.

Auch Binoches Marie ist von Traurigkeit durchdrungen, eine Weltenbummlerin und Drifterin von Partnerschaft zu Partnerschaft. Sie ist die Fremde im Film, ein glamourös-exotischer Gast der amerikanischen Gesellschaft. Oder andersherum betrachtet: Vielleicht ist die weiße amerikanische Gesellschaft, der Marie in Form von Dans Familie auf Rhode Island begegnet, einem Ort der malerischen Leuchttürme und vergessenen Bowling-Bahnen, eine exotische community jenseits der Zeit. So ist Hedges' atmosphärische Komödie auch ein Americana, ein Heimatfilm, der die Utopie eines Zusammenlebens der Geschlechter und der Generationen beschwört.

Denn der größte Teil der Handlung spielt in einem heimeligen Holzhaus mit typischer Veranda, Dans Elternhaus, in dem die Familie mit Geschwistern und Enkeln zum Jahrestreffen zusammenkommt. Eine amerikanische Arche Noah, im rauen Klima von Rhode Island. Ein verlorenes Paradies, in dem Dans Eltern milde-beobachtend regieren, von Dianne West und John Mahoney als altersweises Paar gespielt. Ein Workshop der Gefühle, in dem bei allerlei Gesellschaftsspielen die Befindlichkeiten der Familienmitglieder ausgelotet und therapiert werden.

Die aberwitzige Chaostheorie der Emotionen und der Komödie lässt dann auch die schöne Marie am Familientreffen zunächst an der Seite eines anderen teilnehmen - als Freundin von Dans Bruder Mitch, einem Herzensbrecher. Aber in der Enge des Heims streifen sich heimlich die Blicke, Gedanken und Körper von Dan und Marie. Ein erotischer und komischer Höhepunkt: wenn sich die zwei in der alten Dusche des Hauses verstecken. Ein Sehnsuchtsort, irgendwo gelegen zwischen Rhode Island und dem Kinohimmel.

DAN IN REAL LIFE. USA 2007 - Regie: Peter Hedges. Buch: Pierce Gardner, Peter Hedges. Kamera: Larry Sher. Mit: Steve Carell, Juliette Binoche, Dane Cook, Emily Blunt. Concorde, 98 Minuten.

© SZ vom 20.3.2008/ehr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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