Netzdepeschen (23):"Manchmal ein wenig arrogant"

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Wie im richtigen Leben wollen die Reichen und Schönen auch im Netz unter sich sein. Doch in der Exklusivität lauert die Langeweile.

Ruth Schneeberger

Dem World Wide Web liegt eigentlich eine demokratische Idee zugrunde. Zumindest in der Theorie sollte sich hier jedermann zu jeder Zeit mit anderen austauschen können - gleichberechtigt und frei.

Lebendiger, aber weniger "attractive" als die Konkurrenz: die Seite attractivepeople.de. (Foto: Screenshot: sueddeutsche.de)

Zunehmend aber stößt man auf Seiten, die nur bestimmten Bevölkerungsgruppen zugänglich sind, zum Beispiel Schönen und Reichen: "Unsere Mitglieder sind schön und erfolgreich. Sie sind auf der Suche nach neuen privaten und beruflichen Beziehungen, die genauso außergewöhnlich sind wie sie selbst", heißt es auf der Homepage von beautifulpeople, die Menschen vernetzen soll, "die sich aufgrund ihres Aussehens und ihrer Qualitäten vom Durchschnitt der Mehrheit abheben".

Wer dem "exklusivsten und begehrtesten Netzwerk Deutschlands" beitreten darf, entscheiden die zahlenden User. Stolz wird darauf verwiesen, dass es fünf mal so viele Bewerber wie Mitglieder gebe. Abgefragt werden neben aussagekräftigen Fotos auch Einkommen und Job. Da tummeln sich Studentinnen mit einem Einkommen von 50.000 Euro, deren größtes Laster es ist, dass sie "manchmal ein wenig arrogant" sind, 25-jährige Millionäre und Bestbetuchte "aus dem Medienbereich", um sich gegenseitig zu bekräftigen, dass sie zur Creme de la Creme gehören.

Offenbar ist diese Form der Rekrutierung einer zahlungskräftigen Werbezielgruppe aber selbst nicht schön genug, um erfolgreich zu sein: Im Forum beschweren sich die Schönen darüber, dass auf der Seite seit Monaten nichts los sei. Lebendiger sieht es auf der Seite attractivepeople aus, aber dort sind die User-Fotos auch gleich schon deutlich weniger attraktiv. Und auf hotornot, wo sich User gegenseitig fragen, wie sexy sie sind, tummeln sich schließlich jene, die sich per Fleischbeschau partout von einem Massenpublikum beurteilen lassen möchten.

Tanzen? Bitte!

Um böse Überraschungen auszuschließen, können die nach Schönen und Reichen Suchenden vor jedem Discobesuch inzwischen im Internet nachschauen, mit wem sie es zu tun haben werden. Jeder Club, der etwas auf sich hält, präsentiert auf seiner Homepage per Party-Pics seine Lieblingsauswahl von Gästen. Zu Kult-Status haben es dabei die "Misshapes" gebracht.

Der gleichnamige Club in New York setzt seine Gäste seit Jahren fotografisch so in Szene, dass es den Eindruck erweckt, der Club sei eine lebende Mode-Strecke und seine Gäste die trendigsten der Welt. Aus dem Foto-Archiv mit den buntesten Vögeln der Club-Szene ist nun ein Foto-Band geworden, der seit Anfang September im New Yorker Buchhandel zu haben ist. Die Schönen und erfolgreich durch die Tür Gelassenen haben den Sprung aus dem Netz geschafft.

Den möglichen Sprung vom Wohl des Einzelnen zum Gesamtwohl präsentiert Toyota auf der Seite Green.tv. Dort zeigt ein Video, wie die Zukunft der ClubKultur aussehen könnte: Der Tanzboden ist mit Generatoren versehen, die die Energie der tanzenden Menge in elektrische Energie umwandeln.

Der Tanz-Strom versorgt den Club mit Licht, auch die Tram nach Hause wird aus regenerativer Energie gespeist. Abgesehen davon, dass ein solches Projekt zunächst der Firma selbst dient, um junges Publikum anzusprechen und das Image aufzupolieren, ist dies mal eine schöne Idee, die Energie der Jungen, Schönen und Tanzenden positiv zu nutzen.

© SZ vom 10.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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