Netz-Depeschen (80):Im Chat unter Glatzen

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"Rassische Loyalität" im Internet: Russlands Neonazis feiern online die jüngsten Journalistenmorde und hetzen gegen Ausländer.

Sonja Zekri

Etwa 60.000 Skinheads marodieren durch Russland, schätzen Wissenschaftler, und legt man die Zahl weißer Wölfe, Frauen vor Hakenkreuzen und Listen mit den Namen der "Feinde Russlands" zu Grunde, können die meisten Glatzen mit dem Computer umgehen. In Clips und Werbebannern werben sie für "rassische Loyalität" und die "weiße Revolution". Mit Gleichgesinnten anderer Länder sind sie bestens vernetzt. Die Russische Nationale Vereinigung etwa informiert ihre Leser über die Versöhnung des Papstes mit dem britischen Holocaustleugner Bischof Richard Williamson, so wie etwa der Blogger "Ariec kolovrat" sich zuvor mit dem niederländischen Krawall-Parlamentarier Geerd Wilders und seinem islamfeindlichen Film "Fitna" solidarisiert hatte.

"Unaussprechlich glücklich, dass es unter den Russen noch echte Männer gibt": Neonazis in Russland. (Foto: Foto: dpa)

Der Mord an dem Menschenrechtsanwalt Stanislaw Markelow und der Journalistin Anastasia Baburowa vor zwei Wochen fand in diesen Kreisen naturgemäß ungeteilten Beifall. Im Livejournal, Russlands größtem Server für Internet-Tagebücher, frohlockt ein Blogger namens "Judenkaput": "Unaussprechlich glücklich, dass es unter den Russen noch echte Männer gibt, Verteidiger der Rus! Uns schreckt ihr nicht! Alle könnt ihr nicht einsperren." Und "Alexander"freut sich: "Zwei von diesem Pack auf einmal. Super."

Russlands Skinheads sind die Pest der Städte. Sie lauern in Vorstadtschluchten, jagen Müllmänner aus Zentralasien, planen Anschläge auf Fast-Food-Restaurants - und teilen dies gerne mit. Auf der Seite www.nsbf.clan.su/gb machen sich "Mainkampf", "CraNK" und "Wermaxt" in starken Worten und falscher Orthographie Mut für das finale Ringen der Rassen. So bloggt "Mainkampf": "Fürchte nimandn der unsere Heimat aussaugen will. Sieg Heil". Und "CraNK": "Hallo, Brüder, is hier jmd aus Saratow? Da ist schon völlig Chatschistan. Russland den Russen!!" "Wermaxt" schließlich: "Hab diese Antifas im Internet gefunden. Verrecke, Abschaum. Ruhm für Russland!" Andere Nazis beherrschen die Technik noch nicht so souverän. DJSkinhead-Extreme Terror berichtet, dass er seinen Blog dank eines "weißen Skins" eingerichtet habe: "Ein richtiges Design mache ich demnächst. 88!" 88 bedeutet Heil Hitler, nach dem achten Buchstaben im Alphabet.

Dass es auch in Russland eine verhängnisvolle Beziehung zwischen dem potentiell riesigen Publikum im Netz und der rechten Gewalt gibt, ist spätestens seit einem Jahr klar. Monatelang war im Internet ein Video mit dem Titel "Die Hinrichtung eines Tadschiken und eines Kaukasiers" kursiert. In dem Clip schneiden Skinheads vor einer Hakenkreuzfahne einem ihrer Opfer den Kopf ab, dem anderen schießen sie in den Kopf. Eine Fälschung, beruhigte die Staatsanwaltschaft. Der Student, der den Clip verbreitet hatte, müsse nicht belangt werden. Im vergangenen Sommer mussten die Ermittler zugeben: Der Clip ist echt, die Opfer tot. Russlands Skinheads haben ihr Medium gefunden.

© SZ vom 2.2.2009/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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