Negativ-Filmrollen von Robert Capa aufgetaucht:Es rappelt in der Kiste

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... aber sonst tut sich nicht viel. Die neu aufgetauchten Fotos des berühmten Kriegsfotografen Robert Capa aus dem Spanischen Bürgerkrieg sind vor allem eines: noch nicht völlig aufgetaucht.

Bernd Graff

Jetzt schon genauso spektakulär wie die Motive, die wohl auf den Fotos zu sehen sein werden, ist die Geschichte der Negative dieser Fotos. Es ist die Geschichte einer Odyssee. Sie führt von Paris nach Marseille und schließlich nach Mexiko-Stadt, wo die Negative bei einem mexikanischen General und Diplomaten auftauchten, der unter Pancho Villa diente. Dauer dieser Weltreise: 68 Jahre. Und niemand wusste, dass sie überhaupt stattgefunden hatte.

Pionier der Kriegsberichterstattung: Robert Capa. (Foto: Foto: Getty Images)

Denn die mehr als 3000 Negative, von denen hier die Rede ist, galten als verschollen. Der Fotograf selber hielt sie für verschollen. Der Fotograf ist Robert Capa, der wohl berühmteste Kriegsfotograf der Geschichte.

Capa, der sein bis dahin entstandenes Werk 1939 in Paris zurückließ, weil er vor den Nazis fliehen musste, emigrierte in die USA und fotografierte später als Kriegsberichterstatter unter anderem die Landung amerikanischer Soldaten in der Normandie im Juni 1944. 1954 wurde er in Vietnam von einer Mine getötet.

Capa ist Urheber jenes 1936 entstandenen hochdramatischen Fotos aus dem spanischen Bürgerkrieg, das einen tödlich getroffenen Soldaten im Moment seines Zusammenbruchs zeigt. Das Bild des Milizionärs, das 1937 an der Front nahe Córdoba aufgenommen wurde, hat immer schon Diskussionen darüber ausgelöst, ob es sich tatsächlich um das dokumentarische Foto eines Opfers oder um eine nachgestellte Szene handelt. Bislang sind an die 500 Capa-Fotos aus diesem Bürgerkrieg dokumentiert.

Viele Bilder, deren Negative nun offenbar gut erhalten in staubigen Kartons in Mexiko aufgetaucht sind, werden Expertenmeinungen zufolge wohl völlig unbekannt sein. Es handelt sich aber höchstwahrscheinlich um neue Dokumente aus dem spanischen Bürgerkrieg. Von ihnen erhofft man sich, dass sie endlich Auskunft über die Authentizität des berühmten Milizionär-Schicksals geben können. Denn sollte sich die Rolle jener Negative darunter befinden, aus denen auch dieses Motiv stammt, könnte man Rückschlüsse auf das Zustandekommen der Szene ziehen.

Es wird übrigens auch nicht mehr ausgeschlossen, dass dieses berühmte Bild gar nicht von Capa stammt. In den nun aufgetauchten Kartons befinden sich Negative der 1937 im Spanischen Bürgerkrieg getöteten Gerda Taro, Robert Capas Partnerin - sowohl professionell als zu der Zeit auch persönlich -, und von David Seymour, genannt Chim, also von jenem Mann, mit dem Capa die Foto-Agentur Magnum gründete. Von Taro stammt der Satz: "Wenn deine Fotos nicht gut genug sind, warst du nicht nah genug dran."

So spektakulär wie die Geschichte der Fotos und ihrer lange verschollenen Negative ist allerdings jetzt schon die Geschichte ihres Wieder-Auftauchens. Wie gesagt: Die letzte Station der staubigen Funde ist Mexiko. Dort hatte der Nachfahr eines General Francisco Aguilar Gonzalez sein unbekanntes, unermesslich wertvolles Erbe bereits in den neunziger Jahren öffentlich gemacht.

Den Berichten zufolge war ihm zunächst keine besondere Beachtung geschenkt worden, da die Irrfahrten der Negative nicht nachvollzogen waren. Erst später kamen Capa-Biographen dahinter, dass wohl ein Vertrauter des Fotografen das Werk von Paris aus nach Marseille geschmuggelt hatte, wo sie in den Besitz des mexikanischen Generals kamen, der 1967 verstarb. Es folgten jahrelange Verhandlungen, die im Nichts zu verlaufen drohten. Dabei ging es dem Vernehmen nach niemals um Geld.

Nachdem die Bildfunde nun Capa zugeschrieben wurden, wurden sie in das "International Center of Photography" in Manhattan verbracht, das von Capas Bruder Cornell gegründet wurde. Seit Ende Dezember 2007 kümmern sich Fachleute des George Eastman House in Rochester um Sichtung, Zuordnung und Archivierung, was im besten Fall eine Entwicklung der Negative bedeutet.

Gewissermaßen "gestört" wurde diese Arbeit an den spektakulären Funden durch eine äußerst suggestive Bildstrecke in der New York Times vom 27. Januar, die mutmaßlich bereits Abzüge aus diesen Fundkartons, tatsächlich aber Bekanntes aus dem Capa-Fundus zeigte. Selbst für die Abbildung der Negativ-Box darf nicht als erwiesen gelten, dass sie einen jener 68 Jahre lang verschollenen Capa-Kartons zeigt.

Die Sichtung der neuen Bestände ist noch nicht abgeschlossen. Doch darf man jetzt schon sicher sein, dass es sich um einen der bedeutendsten Funde des fotografischen Werks Robert Capas handelt, der überhaupt gemacht werden kann.

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