Nächste Spielzeit:Livestream zu Bruckners Grab

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Valery Gergiev hat einen Wandel bei den Philharmonikern bewirkt. (Foto: Alberto Venzago)

Valery Gergiev und die Münchner Philharmoniker stellen die Pläne für die Saisosn 2016/17 vor

Von Egbert Tholl, München

Valery Gergievs Lieblingsort in München ist der Salvatorplatz. So steht es in der Saisonbroschüre der Münchner Philharmoniker. Vielleicht hätte man sich gefreut, Gergiev hätte ein russisches Lokal genannt, den Salon Irkutsk vielleicht. Aber nein, er mag den Platz, auf dem man vor dem Literaturhaus in der Sonne sitzen kann; sein Freund Rodion Shchedrin wohnt hier, der Odeonsplatz ist grad ums Eck - dort wird Gergiev am 16. Juli 2017 beim Open Air die Philharmoniker dirigieren. In jenem Büchlein zur kommenden Saison kann man noch mehr Lieblingsorte finden, von allen Musikern der Philharmonikern. Sehr beliebt ist der Wiener Platz, Bassklarinettist Albert Osterhammer liebt das Stimmzimmer der Holzbläser in Gasteig, Konzertmeister Lorenz Nasturica-Herschowici eine Wiese im Perlacher Forst. Und viele fühlen sich im Englischen Garten wohl. Ganz normale Münchner also, die Damen und Herren Philharmoniker, na ja, vom Stimmzimmer abgesehen.

Die Stimmung ist entspannt bei dieser Pressekonferenz, Gergiev kommt ein wenig zu spät - er leitete vorher noch eine öffentliche Generalprobe. Dann erst einmal Kulturreferent Hans-Georg Küppers: "Es passt zusammen." Darauf Stephan Haack, Teil der Orchestervorstandstrias: "Es passt tatsächlich." Also die Zusammenarbeit des Orchesters mit Valery Gergiev. Haack weiter: "Er hat uns überzeugt durch seine unglaublich tolle Arbeit am Klang." Dazu sei Gergiev ein Medienstar, wahnsinnig begehrt, und man empfindet hier einen kleinen Wandel in der Haltung des Orchesters. Da gab es früher schon jene, dass jeder Dirigent, der Celibidache nachfolge, froh sein dürfe, die Philharmoniker zu dirigieren. Nun, und das war ja schon der Eindruck bei der Asientournee vor ein paar Monaten, wirkt alles offener, neugieriger, und ja, nicht mehr eingebildet.

Über Umwege bringt Gergiev mittelbar dann selbst die Rede auf Celibidache. Von 2017 bis 2019 plane man in St. Florian, dort, wo Bruckner begraben ist, ein Festival in Zusammenarbeit mit dem Bruckner-Fest Linz. Ohne Bruckner geht halt nichts bei den Philharmonikern, und Gergiev erzählt, dass er selbst an dessen Grab war (wie Celi einst auch) und außerdem plane er Bruckner in Russland: "A special mission." Wohl keine unmögliche, aber eine, die noch Arbeit bedeutet, könnte man ergänzen - er leitet insgesamt 39 Konzerte.

Ansonsten spricht Gergiev mit dem ihm eigenen Unterhaltungswert, großartig in der Euphorie. Er erzählt viel von seinen Experimenten in der Philharmonie, wie er in dieser die Aufstellung des Orchesters variiert - die Ergebnisse sind ja wirklich hochgradig unterschiedlich und spannend. Die flache, breite Positionierung direkt an der Rückwand etwa hatte Gergiev bei einem Gastspiel der Wiener Philharmoniker ausprobiert. Und dann auf die Münchner übertragen. Nun weiß man, dass er 20 Sekunden braucht, um während der Probe in die letzte Reihe hochzulaufen und sich dort den Klang anzuhören und den Saal für manche Musik sehr geeignet findet.

Amsterdam, Berlin, Chicago - Gergiev will nur noch fünf Orchester nebenher besuchen, war auf Kuba vor Präsident Obama, präsentiert fünf junge Geiger beim 360-Grad-Festival, das wieder im Herbst stattfindet; diesmal gibt es Prokofjew, alle Symphonien, alle Klaviersonaten, dazu alle Violinkonzerte Mozarts, wieder mit dem Mariinsky Orchester und den Philharmonikern. Auch im Normalbetrieb geht die "Verbindung zwischen deutschem und russischem Repertoire" (Intendant Paul Müller) weiter, es gibt ein bisschen Neues, Dirigenten-Debüts und ein eigenes Label sind geplant, neben mehr Livestreams und einem digitalen Klangarchiv.

© SZ vom 05.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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