Nachrichten aus dem Netz (57):Mit geballter Faust

Lesezeit: 2 min

Heiße Diskussionen um das Zitatrecht: In Amerika wettert die Blogospähre gegen die Nachrichtenagentur Associated Press (AP), die wörtliche Übernahmen ihrer Meldungen verhindern will.

Niklas Hofmann

Eine cause célèbre für den Umgang mit dem Copyright großer Medien erblickten prominente US-Blogger in der vergangenen Woche im Fall der Social-News-Seite Drudge Retort.

Unter Bloggern in Verruf geraten: die amerikanischen Nachrichtenagentur Associated Press (AP) (Foto: Foto: AP)

Wie beim weit größeren Dienst " digg.com" können Nutzer bei Drudge Retort (eine Parodie der konservativen Website Drudge Report) Nachrichten einstellen, bewerten und kommentieren.

Die Nachrichtenagentur Associated Press forderte den Betreiber Rogers Cadenhead nun auf, sieben Einträge, die AP-Meldungen zitierten, von seiner Seite zu entfernen, weil das Copyright der Agentur verletzt werde.

Die Posts, um die es ging, bestanden jeweils aus einer Überschrift, einem kurzen Textauszug und einem Link zum Originalartikel. Dem "Geist des Internets" entspreche es ohnehin mehr, teilte AP-Vizepräsident Jim Kennedy später der New York Times mit, wenn aus fremden Artikeln nicht wörtlich zitiert, sondern paraphrasiert und verlinkt werde.

Die Agentur will in Zukunft verhindern, dass es sich bei Zitaten im Netz "mehr um Reproduktion als um Referenz" handelt, und dafür auch ein Regelwerk entwickeln.

" Fair Use" sei in Gefahr, jene Ausnahmeregelung des US-Urheberrechts, die Medien (und auch Blogs) ihr Zitatrecht sichert, so befand man darauf in der Blogosphäre.

Da AP seinen Mitgliedern, also nahezu der gesamten gedruckten Presse und den wichtigsten Radio- und Fernsehstationen der USA, gehört, wurde in den Reaktionen mancher Blogger aus dem Vorgehen von AP auch gleich ein Generalangriff, gar eine "Kriegserklärung" der gesamten Mainstream-Medien auf das Zitatrecht der Blogwelt.

Schon fand sich das AP-Logo umrahmt von Eichenlaub in den Klauen eines NS-Reichsadlers wieder. Das populäre Leitblog " TechCrunch" von Michael Arrington erklärte gar einen Boykott von AP-Meldungen.

Auch der Journalistik-Professor und Blog-Vordenker Jeff Jarvis rief zum Boykott auf. Er sieht in den Medien einen fundamentalen Wandel von einer "Ökonomie der Inhalte" zu einer "Ökonomie der Links".

AP sei immer noch darauf fixiert, dass die von ihr produzierten Inhalte einen Wert darstellten, den sich Blogger ohne Bezahlung aneigneten. In Wahrheit dienten Inhalte aber längst nur noch dazu, mit ihnen Links zu generieren.

Diese seien der Wert, um den es heute gehe; mit mehr Recht könnten also die Blogger von AP Geld dafür verlangen, dass sie auf ihre Geschichten verlinkten.

Natürlich sollten auch sie das nicht wirklich tun - schließlich beruhe diese Wirtschaft auf einem kostenlosen Geben und Nehmen von Links. Aber Jarvis will, dass AP durch den Streik die angeblich neuen ökonomischen Realitäten anerkennt.

"Diese hitzköpfige Reaktion gehört zu den Dingen, die Blogs einen schlechten Ruf einbringen", kritisierte dagegen Saul Hansell, der für die New York Times über die Geschichte als Printjournalist wie als Blogger schreibt.

AP habe nur das Gespräch mit der Blogwelt gesucht, dort ziehe man aber "einen Wutanfall einer Diskussion vor". Ähnlich empfand das wohl auch Robert Cox, Chef einer Organisation namens Media Bloggers Association.

Drudge-Retort-Betreiber Cadenhead hatte ihn um rechtliche Unterstützung gebeten. Obwohl auch der weithin anerkannte Jarvis Mitglied der Gruppe ist, zog Cox fast mehr Unmut auf sich als AP. Er maße sich die Rolle eines Sprechers der Blogosphäre an, wolle womöglich Vereinbarungen im Namen aller eingehen, hieß der Vorwurf.

Dass es Cox gelang, den Streit AP vs Drudge Retort beizulegen, spielte fast nur eine Nebenrolle. Amerikas Blogger warten nun mit geballter Faust auf die angekündigten Zitat-Richtlinien der AP.

© SZ vom 23.6.2008/mst - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: