Nachfolgerin von Christiansen:Gold für Will, Silber für Plasberg

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Die ARD-Intendanten haben "einmütig" entschieden: Die "Tagesthemen"-Moderatorin wird neue Sonntagstalkerin. Mitfavorit Frank Plasberg bekommt eine neue Sendung im Ersten.

Den Entschluss gab ein Sprecher nach der Sitzung der Intendanten der neun ARD-Landesrundfunkanstalten in Frankfurt am Main bekannt. Die Sendung soll im September starten.

Künftig begrüßt sie die Deutschen nach dem Sonntagskrimi: Anne Will (Foto: Foto: dpa)

Nach der Absage von Günther Jauch hatte die ARD in den eigenen Reihen nach einer neuen Lösung für den Sonntagabend-Termin um 21.45 Uhr gesucht. Jauch hatte den Job abgelehnt, da er nicht exklusiv für die ARD arbeiten wollte und die Einflussnahme der ARD-Chefredakteure fürchtete.

Denn die zukünftige Sendung wird nicht wie "Christiansen" als Unterhaltungssendung behandelt, sondern dem Bereich Politik zugeordnet. Dort haben die Chefredakteure aller Mitgliedsanstalten ein Mitspracherecht.

"Das ist eine tolle Chance und ein großer Vertrauensbeweis", sagte Anne Will. Zugleich gab die studierte Politologin bekannt, dass sie als "Tagesthemen"-Moderatorin aufhören werde.

"Bis zum Sendebeginn im Spätsommer bleibt noch ausreichend Zeit, um mich vorzubereiten und am Konzept zu feilen. Das Ziel ist allerdings klar: eine aktuelle, gesellschaftspolitische Gesprächsrunde anzubieten, die Themen aufgreift, aber auch eigene Themen setzt", erklärte die 40-Jährige.

ARD-aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke sagte der Nachrichtenagentur dpa, ein Nachfolger stehe noch nicht fest. Man habe noch vier bis fünf Monate Zeit. Zuletzt war Wills Vorgängerin Gabi Bauer noch als neue "Tagesthemen"-Moderatorin gehandelt worden.

Lob von Sabine Christiansen

Sabine Christiansen sagte, sie schätze Will als kompetente Kollegin. "Ich wünsche ihr für die neue Herausforderung alles Gute. Besonders freut mich auch, dass eine Frau das Rennen gemacht hat."

Neben Will und Plasberg war bis zuletzt auch Sandra Maischberger im Rennen, die in einer "Spiegel"-Umfrage mit 30 Prozent Zustimmung der Zuschauer knapp vor Will (26) und Plasberg (23) lag.

Plasberg, der im WDR-Fernsehen die Politik-Talkshow "Hart aber fair" präsentiert, erhält ab 2008 im Ersten einen eigenen Sendeplatz zwischen Dienstag und Freitag im Zeitraum nach der "Tagesschau" und vor den "Tagesthemen". Die Fernsehprogrammkonferenz wurde beaufragt, Vorschläge für ein Format zu entwickeln. Das Format soll mindestens 60 Minuten lang sein.

Was letzlich den Ausschlag für Will gegeben hat, wollen ARD-Chef Fritz Raff und Programmdirektor Günter Struve erst am Dienstag bekannt geben. Doch für Will sprach, dass sie im Gegensatz zu Plasberg bundesweit bekannt ist. Und dass sie, anders als Maischberger, ein ARD-Eigengewächs ist - ein in dem Senderverbund nicht zu überschätzender Pluspunkt.

Ob auch Maischberger eine neue Sendung bekommt, ist noch nicht klar.

Anne Will - über den Sport zur großen Politik

Anne Will studierte an der Universität Köln und an der Freien Universität Berlin Geschichte, Politologie und Anglistik. Schon während ihrer Studienzeit arbeitete sie als Journalistin bei der Kölnischen Rundschau und dem Spandauer Volksblatt in Berlin. Ihre berufliche Laufbahn begann mit einem Volontariat beim Sender Freies Berlin (SFB), obwohl sie Fernsehen zuerst als schrecklich empfunden habe, "weil mir das ganze Drumherum zuviel war".

Dem Publikum wurde sie Ende 1992 mit der SFB-Talkshow "Mal ehrlich" und dem "Sportpalast" bekannt. Von 1996 bis 1998 war sie auch Gastgeberin in der Show "Parlazzo" des Westdeutschen Rundfunks (WDR). Ihr richtiger Durchbruch kam 1999, als Will in der bis dahin von Männern dominierten ARD-"Sportschau" als Moderatorin auftauchte. Im Jahr 2000 kommentierte sie Übertragungen von den Olympischen Spielen in Sydney.

Anne Will, die sich unter anderem als Botschafterin für die Aktion "Gemeinsam für Afrika" und für ein Verbot von Landminen einsetzt, wurde 2001 wegen ihres "Moderationstalents und ihrer breiten journalistischen Kompetenz" für den Adolf-Grimme-Preis Spezial nominiert.

2002 erhielt sie die Goldene Kamera der "Hörzu" als Shooting-Star und 2006 den Deutschen Fernsehpreis für die beste Moderation einer Informationssendung.

Kritisiert wurde die Entscheidung von RTL-Gründer Helmut Thoma und Focus-Chefredakteur Helmut Markwort. Dieser meinte: "Man hat sich wohl trotz seines Erfolgs an dem Wörtchen 'hart' in Frank Plasbergs Sendung 'Hart aber fair' gestört und sich für eine weichere Form entschieden." Zwar kenne er Anne Will auch als ausgezeichnete, hartnäckig nachfragende Journalistin. "Aber bei ihr kommt das vielleicht verbindlicher über den Bildschirm", sagte Markwort. "Fazit: Die Intendanten haben auf das weichere, weibliche Sonntagabend-Gefühl gesetzt."

Thoma sagte, er hätte sich für das "System Plasberg" entschieden. "Nichts gegen Frau Will, aber meiner Meinung nach ist das nur die Entscheidung für die Fortsetzung des Systems Christiansen mit anderen, wenn vielleicht auch besseren Mitteln." Ein Problem werde es für die "Tagesthemen" geben. "Nach Ulrich Wickerts Ausscheiden schon wieder ein Wechsel, das verkraftet keine Sendung leicht."

Einen sehr speziellen Kommentar zur Nominierung Wills lieferte der Publizist Henryk M. Broder in den Stuttgarter Nachrichten: "Anne Will ist die schärfste Braut im deutschen Fernsehen. Ich würde mich von ihr adoptieren lassen." Auf die Frage nach Wills fachlichen Qualitäten sagte Broder: "Braucht man in Deutschland fachliche Qualitäten, um eine politische Talkshow moderieren zu dürfen?"

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