Museumsserie, Teil 9:Ein Globus für Handlungsreisende

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Das Mercateum in Königsbrunn widmet sich der weltumspannenden Historie süddeutscher Kaufleute

Von Jürgen Moises, Königsbrunn

Als am 15. Januar 1505 drei portugiesische Schiffe von Antwerpen aus zunächst nach Lissabon und dann in Richtung Indien in See stechen, sind mit Balthasar Sprenger aus Augsburg und Ulrich Imhoff aus Nürnberg auch zwei deutsche Handelsvertreter mit an Bord. Als "die Ersten Teutschen, die India suchen" sind sie "uns Augspurgern ains gross Lob", wie der Augsburger Stadtschreiber Dr. Conrad Peutinger zwölf Tage zuvor an den kaiserlichen Sekretär Maximilians Blasius Hölzl schreibt. Warum die beiden mit an Bord sind? Weil die Expedition zu 55 Prozent von fränkischen und schwäbischen Handelshäusern wie den Fuggern oder Welsern finanziert wurde. Auch ein Großteil der geladenen Ware, darunter Kupfer, Eisen, Werkzeuge und Waffen, stammt aus deren Produktion. Und die Schiffe werden nicht die einzigen bleiben, die süddeutsche Handelswaren nach Indien und im Gegenzug indische Güter wie Pfeffer, Ingwer oder Safran nach Deutschland bringen.

Vielmehr bildet sich über die Jahre ein weltweites Handelsgeflecht heraus, das von Augsburg und Nürnberg aus bis Indien und darüber hinaus bis Chile oder Mexiko, bis Kuba, China oder Afrika reicht. Da über die Fahrten der mehr als 300 Handelsschiffe, die alleine Augsburger Handelshäuser im 16. Jahrhundert übers Meer schickten, im Vergleich zu den Schiffsreisen von Kolumbus, da Gama oder Magellan aber wenig bekannt ist, steht in Königsbrunn, auf der früheren "Via Claudia Augusta", das Mercateum. Als eine "Hommage an den vom heutigen Bayern ausgehenden Welthandel im 16. Jahrhundert", wie Gründer Wolfgang Knabe selbst das Fernhandelsmuseum versteht, das 2008 unter Beteiligung des indischen Generalkonsuls in der schwäbischen Kleinstadt im Landkreis Augsburg eröffnet wurde.

Die eigentliche Geburt des Mercateums reicht aber weiter zurück. Bereits 2004 und 2005 wurde es anlässlich von 500 Jahren deutsch-indischer Handelsbeziehungen als mobiles Gebäude errichtet und zunächst gegenüber der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München aufgestellt. Dort wurde es am 10. Oktober 2005 offiziell und ebenfalls unter indischer Beteiligung eingeweiht. Eigentlich sollte er nur eine "normale Ausstellung" über die deutsch-indischen Handelsbeziehungen kreieren, so der promovierte Soziologe und Ethnologe Knabe. Aber er selbst wollte etwas "Bleibendes" schaffen. Und deswegen ist das Mercateum heute nicht nur ein Museum. Sondern der größte historische Globus der Welt, der, weil Knabe seine aktuelle Heimatstadt sowie Bund und Wirtschaftsvertreter damals für diese Idee gewinnen konnte, in Königsbrunn nun eine feste Bleibe hat.

Zehn mal zehn Meter ist das Gebäude groß, auf dessen Dachhaut, einer zweilagigen Membran, eine von Diego Ribero geschaffene Weltkarte aus dem Jahr 1529 gedruckt ist. Das in der Vatikanischen Bibliothek befindliche Original wurde dafür um das 260fache vergrößert. Zu sehen sind darauf nicht nur alle wichtigen Handelsorte der damaligen Zeit, sondern, wie sich nach der Vergrößerung zeigte, auch eine kleine Insel, von der man dachte, dass sie erst später entdeckt wurde, und noch weitere "Geheimnisse", die in Originalgröße nicht zu erkennen waren. Auf der Karte selbst sind diese wieder am Verschwinden, denn nach zehn Jahren ist sie recht ausgebleicht. Eine neue ist laut Knabe, der aktuell ein Buch über die Karte schreibt, aber schon bestellt.

Was die Innenwelt des Mercateums betrifft, das durch einen Anbau derzeit erweitert wird: Sie beruht zu einem großen Teil auf Forschungen, die Knabe selbst mit der Mercator durchgeführt hat, dem kleinsten deutschen Forschungsschiff der Welt. Als Leiter der 1987 gegründeten Mercator-Forschungsgruppe hat Knabe das Schiff 1990 gebaut, um damit die Spuren der Augsburger Handelshäuser im 16. Jahrhundert zu verfolgen. 20 000 Seemeilen hat er damit bereits zurückgelegt, ein Teil der Forschungsreisen wurde von ARD und ZDF dokumentiert.

Die zugehörigen Reiserouten sind auf einer Karte im Mercateum zu sehen, dazu zahlreiche Reisefotos und als Unikat ein 2003 im Südpazifik entdeckter Eisenbarren mit dem typischen Gewicht eines Amberger Zentners. Weiterhin zur Ausstellung gehören: eine Nachbildung des Beheim-Globus aus dem Jahr 1492; eine Nachbildung der "Peutinger Karte", die das spätrömische Straßennetz von der iberischen Halbinsel bis nach Indien zeigt; Schaukästen mit Gewürzen und anderen Gütern, die im 16. Jahrhundert gehandelt wurden sowie ein verkleinertes Modell der Bom Jesus, eines portugiesischen Schiffs, das 1533 vor der Küste des südlichen Namibia gesunken ist und dessen Wrack 2008 entdeckt wurde. Zusammen mit Kupferhalbkugeln, auf denen das Fuggersche Handelszeichen prangt.

Offiziell besichtigen kann man das Mercateum an Sonn- und Feiertagen. Aber die meisten Besucher kommen laut Volker Hülle, der als Teil eines 16-köpfigen, ehrenamtlichen Teams das Museum aktuell leitet, unter der Woche. Darunter viele Schulklassen, Fahrradtouristen aber auch immer wieder Besucher aus dem Ausland, aus Australien, Amerika, aus Indien. Auch Vorträge und Trauungen finden dort statt. "Das Geld zum Erhalt erwirtschaften wir auf diese Weise selbst", so Knabe, der das Museum deswegen nicht selbst leitet, weil er sich auf dessen Ausbau und die Forschung konzentriert. 2017 will er auch wieder in See stechen, für sechs oder sieben Monate in Richtung Südpazifik, um dort weiter nach Spuren süddeutscher Kaufleute zu forschen.

© SZ vom 19.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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