Vor genau einem Jahr standen die Münchner Philharmoniker vor einem ziemlichen Problem: Chefdirigent Lorin Maazel war gestorben - und eine große Asien-Tournee stand an. Als Einspringer leitete der Lette Andris Poga die Konzerte, 1980 geboren und mithin für einen Dirigenten noch ziemlich jung. Warum die Orchestermusiker damals dennoch beglückt zurückkehrten, kann man nun bei Pogas München-Debüt gleich zu Beginn erfahren: In der Philharmonie lässt er Richard Wagners "Rienzi"-Ouvertüre wie aus dem Nichts entstehen, die Musiker erst einmal zu Atem kommen. Und der Schluss kommt umso leichtfüßiger daher, ohne Bombast, aber dafür mit Peng.
Deutlich wird: Poga, seit zwei Jahren bereits Chef des Lettischen Nationalorchesters in Riga, weiß, was er will, und die Philharmoniker folgen ihm gern dabei. Die Wesendonck-Lieder, ebenfalls von Richard Wagner und instrumentiert von Felix Mottl, schattiert er in sanften Pastellfarben ab, lässt einzelne Instrumentengruppen klar hervortreten. Nur verliert er darüber leider die Solistin etwas aus dem Blick. Das Tempo sackt durch, was Petra Lang das Leben ebenso erschwert wie die für Sänger problematische Gasteig-Akustik. Leicht unsicher in der Intonation, findet Lang erst gegen Ende des Liederzyklus zu großen stabilen Bögen.
Man spürt solche Tempounsicherheit auch in Pjotr Tschaikowskys vierter Symphonie. Wie viele jüngere Dirigenten mag Poga starke Kontraste, Langsames also ebenso wie sehr Rasantes, verliert aber dabei manchmal noch den Kontext aus den Augen. Der langsame Satz schleppt, und die "großen Stellen" in den schnellen geraten ihm manchmal blockhaft und lärmend. Freilich: Sein präziser Sinn für Klangfarben macht sich auch hier bemerkbar. Und mit einem leichthin wirbelnden Scherzo und einem energiegeladenen Finale knüpft Poga wieder an den Beginn des Konzertes an.