Mr. Slowhand kommt in die Jahre:Sind so kleine Hände

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Ein müder Halbgott, ein Star seit dreißig Jahren: Eric Clapton, der Mann, die Gitarre direkt in den Verstärker knallte, um fortan den Blues zu singen, dieser Mann wird sechzig.

THOMAS STEINFELD

Einer der schönsten, mächtigsten Bassriffs in der Geschichte der populären Musik stammt nicht von einem Bassisten: Der sich grollend aus den unteren Lagen heraufarbeitende und dann plötzlich in lauter punktierten Noten davon- und wieder herunterhüpfende Lauf, auf dem das Stück "Badge" (1969) von den "Cream" basiert, wurde von Eric Clapton und George Harrison geschrieben.

(Foto: Foto: WEA Records)

Einer der einprägsamsten Jauler auf der Slide-Gitarre ist nicht von einem Amerikaner geschaffen worden: "Layla" heißt er, Eric Clapton hat ihn erfunden, und Duane Allman jault auf der zweiten Gitarre mit.

Eines der erfolgreichsten Stücke des Reggae wurde nicht durch einen Jamaikaner bekannt. Bob Marley hatte zwar "I Shot the Sheriff" komponiert.

Berühmt wurde jedoch zuerst die Einspielung von Eric Claptons Album "461 Ocean Boulevard" aus dem Jahr 1974.

Und schließlich: Eines der sentimentalsten, tränenseligsten Lieder der Musikgeschichte ist kein Werk eines öligen Schlagersängers. Eric Clapton hat "Tears in Heaven" im Jahr 1991 geschrieben, und man kann dem Kitsch nicht einmal widersprechen, weil sich eine gelebte Geschichte darin verbirgt: der Tod eines Kindes.

Die späten sechziger und frühen siebziger Jahre waren die heroische Epoche der populären Musik. Vorausgegangen war die Entstehung eines neuen musikalischen Materials, einer Mischung aus dem Blues schwarzer Amerikaner und der weißen angelsächsischen Volksmusik, sehr tanzbar, sehr wild - und vor allem: sehr, sehr laut. Denn der Rock'n'Roll setzt das Mikrophon voraus, den Tonabnehmer und den Verstärker, und so, zu orchestraler Gewalt aufgeblasen, war der einzelne Mensch mit seiner ungeschulten Stimme und den rudimentären Fähigkeiten auf seinem Instrument noch nicht zu hören gewesen. Und erst als diese Musik wirklich da war, weit verbreitet, zumindest unter den Jugendlichen der westlichen Länder - erst in diesem Augenblick beginnt ihre heroische Epoche.

Denn nun erst stößt das neue Material auf handwerkliche Fähigkeiten und bald schon auf einen Kunstanspruch. Die Emanzipation von der Tanz- und Volksmusik bringt Halbgötter hervor, Jimi Hendrix und ein paar Engländer, Eric Clapton, Jimmy Page, Ritchie Blackmore.

"Clapton is God", soll Ende der sechziger Jahre auf Londoner Hauswänden gestanden haben, und Gott war, wer das harte Holz einer Gitarrenplanke zum Singen bringen, wer nach dem zweiten Chorus zu einem Solo anheben konnte, der sich aus dem festen Muster von g-Moll, F-Dur, d-Moll, C-Dur befreien konnte, hinauf in das wildeste Virtuosentum, wo der Einzelne glänzen konnte, ganz für sich allein, aber sicher getragen von einem narbengesichtigen Bassisten und einem Schlagzeuger mit feuerrotem Schopf: "In the white room with black curtains near the station / Blackroof country, no gold pavements, tired starlings."

Überlebt hat der Halbgott nicht. Überhaupt können Halbgötter nicht überleben. Um das Jahr 1970 war die heroische Zeit für Eric Clapton zu Ende, und das lag am Heroin und am Alkohol, vor allem aber daran, dass die künstlerischen Grenzen, die das neue Genre jetzt noch überwinden konnte, von zunehmend künstlicher Art waren.

Soli werden schneller langweilig als gut gearbeitete Songs, und zehn Minuten Schlagzeug allein können, falls der Trommler sein Handwerk nicht wirklich gelernt hat, schnell zu einer nervtötenden Veranstaltung werden.

Und Eric Clapton nahm die Gitarre, schubste die Effektgeräte beiseite, den Verzerrer, den Hall, steckte das Kabel direkt in den Verstärker und sang fortan den Blues.

Überlebt hatte er, und deswegen wurden ihm das Virtuosentum und die neuen musikalischen Formen gleichgültig, und zurück blieb nur die Nähe zur Tradition. Auch wenn der Alkoholismus hin und wieder zurückkehrte.

Als Traditionalist aber wurde Eric Clapton zum Lebensbegleiter nicht nur einer Generation, sondern aller Generationen, und sein Erfolg scheint, bis hin zum Anzug und zur Brille, auch eine Frage von Friedfertigkeit, Geschmack und Manieren zu sein: "And the she asks me, "Do I look alright?' / And I say, ,Yes, you look wonderful tonight." Mehr als mit gutem Geschmack aber hat diese Attitüde mit einem wohltemperierten Klassizismus zu tun, mit einer sanften, nicht allzu wandlungsfähigen Stimme und der Gewissheit, das ein gutes Lied immer auch ein einfaches ist.

Vor allem aber hat Eric Clapton sich zu einem ewigen Schüler gemacht, zu einem Lehrling in der strengen Erziehungsanstalt des Blues, zu dessen Lehrern für ihn vor allem Robert Johnson und B. B. King gehören und in der vor allem der richtige, der einzige Ton gelehrt wird.

Denn während diese beiden immer Lehrer gewesen zu sein scheinen, wird die Lehrzeit ihres Zöglings offenbar nie abgeschlossen. Wenn er ihnen gegenübersteht, scheint er immer kurze Hosen zu tragen. Eric Clapton, heute vor sechzig Jahren, am 30. März 1945 in der Grafschaft Surrey geboren, war einmal ein Halbgott und Meister.

Wenn er Schüler hat (und er hat sie), spielen diese eine andere Musik als er selbst, lauter, rauer, unmanierlicher. Er aber ist nun ein Schülermeister.

© SZ v. 30.03.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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