Mit der Bayerischen Staatsoper unterwegs in Japan:"Es sollte noch etwas von einem Geheimnis haben"

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Die Begeisterung des japanischen Publikums ist groß: Klaus Florian Vogt (Tannhäuser) gibt Autogramme. (Foto: Wilfried Hösl)

Kirill Petrenko macht lieber lustige Gesichter, als Interviews zu geben. Kuriose Eindrücke von einer japanischen Pressekonferenz

Von Egbert Tholl, Tokio

Dramaturgie einer Pressekonferenz. Nikolaus Bachler erhöht in der Begrüßung die Dramatik: Petrenko gebe auch in Europa keine Interviews. Nun hätten die japanischen Journalisten ihn ja gerade im Konzert erleben können, das sei doch, sinngemäß ergänzt, viel wichtiger. Aber: Petrenko wird Fragen beantworten. Für eine Sekunde denke ich an den Panda im Zoo und die Ankündigung eines Pandahüters, man dürfe den füttern, aber nur ganz kurz und nicht zu viel.

Petrenko indes hat es irgendwie faustdick hinter den Ohren. Er kennt seine Marotten. Und sagt erst einmal das, was man bei solch einem Anlass sagt: zum ersten Mal in Japan, fasziniert von der Stadt, überwältigt von den Menschen und dem Essen, dann lacht er, weiter geht es mit "große Ehre, Teil der Tradition der Japangastspiele der Bayerischen Staatsoper zu werden". Er sei sehr froh, dass dieses in seiner Amtszeit zustande kam und könne es kaum erwarten, "für Sie Musik zu machen".

Dann sagen die Gesangssolisten etwa zu Japan, was als Werbung für den "Tannhäuser" ja wohl richtig ist, aber ein bisschen irritiert, schließlich fand gerade ein Konzert ohne Gesang statt, bei dem sich das Staatsorchester als Hochleistungskonzertorchester präsentierte und die Musiker keine Dienste geltend machen können. Der Opernbetrieb beginnt erst in Tokio, das davor war Eigenleistung der Musiker.

Nun bemühen sich die Solisten - allesamt japanerfahren und hier bekannt - um Aussagen jenseits der Gemeinplätze. Annette Dasch, die Elisabeth im "Tannhäuser", erlebe hier ein Publikum, das bereit sei, in sensiblere Zonen der Musik einzudringen, Matthias Goerne, der Wolfram von Eschenbach singt, lobt ebenfalls das Publikum, dafür, dass es nicht mit einer von vornherein kritischen Haltung in die Aufführung gehe und weist darauf hin, dass Castelluccis Inszenierung in München viel diskutiert wurde. Dazu passt die Aussage von Nikolaus Bachler, man müsse die Werke immer wieder neu befragen, sonst müsse man sie nicht machen. Da stellt sich die Frage nach der Gültigkeit der Befragung, wenn sie wie bei der "Zauberflöte" knapp 40 Jahre alt ist. Aber egal, wichtig ist: Das japanische Publikum ist gewarnt, was den "Tannhäuser" angeht. Währenddessen probiert Kirill Petrenko alle möglichen Arten durch, ein lustiges Gesicht zu machen. Vielleicht ist sein Schalk Verzweiflung - er wäre sicherlich an vielen anderen Orten lieber in diesem Moment. Doch da, eine Frage aus dem Publikum. Und er antwortet. Das Abschlusskonzert des Gastspiels bringt am 1. Oktober den ersten Akt "Walküre" konzertant, was er im Sinne des Wagnerschen Gesamtkunstwerks falsch findet, aber wenn überhaupt, dann geht nur "Walküre" erster Akt. Dann wird er gefragt, welches Motto er habe. Da schleicht er sich ein bisschen um die Antwort herum, bis er sagt: "Wenn man von einem Motto sprechen will, dann ist das proben." Und lacht schelmisch in sich hinein.

Dann erklärt Kirill Petrenko tatsächlich, warum er keine Interviews gibt. Die Entscheidung sei schon lange her, er möchte so wenig wie möglich über seine Arbeit sprechen, weil der Dirigent auf dem Podium spricht, mittels Musik. "Es sollte noch etwas von einem Geheimnis haben." Mit Geheimnis können die japanischen Kollegen aber nichts anfangen und befragen nun einfach die Sänger, wie es ist, mit Petrenko zu arbeiten. Was die selbst singen, scheint in dem Moment nicht so wichtig. Vorlage Bachler: "Dort, wo andere aufhören, fängt Kirill Petrenko erst an." Goerne nimmt auf: "Ich kenne keinen anderen Dirigenten, der so genau in jedem Moment versucht, den Notentext zu interpretieren." Was Elena Pankratova (Venus) dann resümiert: "Es geht keine Minute für leere Gespräche drauf, er zeigt viel Respekt für unsere Arbeit." Petrenko sitzt in der Mitte, probiert weiter an seinen lustigen Gesichtern und hört sich an, was die anderen über ihn sagen. Es gab schon einmal einen Dirigenten an der Bayerischen Staatsoper, der gab auch keine Interviews und dirigierte ähnlich wie Petrenko, mit dieser aufregenden, disparaten Mischung aus extremer Akkuratesse und höchster Leidenschaft. Er hieß Carlos Kleiber.

Petrenko selbst erklärt seine Probenleidenschaft noch so, dass in der Aufführung der Dirigent nur noch der Vermittler, die Brücke zwischen den Ausführenden, der Musik und dem Publikum sei. In den Proben erziele man so viel Einigkeit, dass "der Maestro im Konzert keine Rolle mehr spielt". Dafür ist er aber bemerkenswert durchgeschwitzt nach jedem Konzert. Auch weil er jeden Live-Moment liebt. Japan ist eines der wenigen Länder, in dem der CD-Markt noch blüht. Natürlich wird Petrenko nach Aufnahmen gefragt. Antwort: mehr live, weniger Sicherheit! Jede Aufführung ist wertvoller als eine Aufnahme. Dazu Bachler, sinngemäß: Oper ist live, jeder Stream nur Werbung, die die Menschen ins Theater locken soll.

Fragt sich nur, was Petrenko dann bei den Berliner Philharmonikern, ohne Oper, aber mit einer digitalen Concert-Hall macht.

© SZ vom 20.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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