Meat Loaf zum 60. Geburtstag:Ein kleines bisschen Horror-Show

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Meat Loaf wollte immer mehr Schauspieler als Sänger sein. Er brachte wagnereskes Pathos auf die Bühne und spielte in der "Rocky Horror Show". Heute wird er 60 Jahre alt.

Jürgen Schmieder

Auf der Bühne ist es dunkel. Von der Decke hängt ein riesiger dunkler Kronleuchter, am Bühnenrand steht ein Klavier. Neben dem Pianisten im Frack steht eine Frau im schwarzen Abendkleid. Es könnte ein Konzertsaal sein, ist tatsächlich aber eine alte Lagerhalle in Pennsylvania.

Meat Loaf bei einem Konzert 1994 in London. (Foto: Foto: dpa)

Der Pianist schlägt vorsichtig einige Akkorde an. Dann wird er schneller. Er wiederholt das Motiv: zwei tiefe Töne. Mehrere höhere. Zwei tiefe. Drei hohe. Ein Gitarrist wird im Scheinwerferlicht sichtbar. Er spielt ein Riff. Das Schlagzeug setzt ein. Die elektrischen Kerzen des Kronleuchters erhellen die Bühne, auf die ein beleibter Mann mit langen strähnigen Haaren tritt. Er trägt ein barockes Rüschenhemd, einen Frack, in der Hand ein rotes Seidentuch. Er geht langsam zum Mikrofon und singt: "The sirens are screaming and the fires are howling, way down in the valley tonight."

Dieser Konzertbeginn mit dem Song "Bat out of hell" passt zu Meat Loafs Weigerung, sich selbst als Rockmusiker wahrzunehmen. In einem Interview sagte er: "Ich bin kein Sänger - ich bin Schauspieler: Ich muss in einem Augenblick aufleben, einen Augenblick erschaffen. Ich muss eine Seele erschaffen, ein Universum für diesen Song - all diese Dinge muss ich erschaffen."

Er ist anders als seine Rocksänger-Kollegen aus den Siebzigern, die sich in Klamotten aus dem Sadomaso-Shop stopften, sich vampiresk schminkten und auf der Bühne ihre Instrumente, danach im Hotelzimmer das Mobiliar und sich selbst demolierten. Sie sahen ihre Musik als Rebellion gegen das Establishment und riefen zur Revolution auf.

Meat Loafs Musik ist L'art pour l'art, was sich auch in seinen Liedtexten widerspiegelt. Die Songs handeln von - meist unerfüllter - Liebe und den Versuchen eines jungen Mannes, einer Frau die Unschuld zu rauben. Es geht nicht um Wut oder Verzweiflung, was typisch für die Rockmusik dieser Zeit wäre. Es sind auch keine selbstreferentiellen Texte, wie man es von einem Künstler mit einer derartigen Biographie erwarten könnte.

Marvin Lee Aday - so Meat Loafs bürgerlicher Name - wurde am 27. September 1947 in Dallas, Texas geboren. Sein Vater war alkoholkrank und wurde seinem Sohn gegenüber häufig gewalttätig. Seine Mutter starb an Krebs, als Meat Loaf 19 Jahre alt war. Dazu wurde er von seinen Lehrern und Mitschülern aufgrund seiner Fettleibigkeit gehänselt. Sein Footballtrainer nannte ihn "fat meat loaf" - fetter Fleischklops.

Seine berufliche Karriere begann als Parkplatzwächter in Los Angeles, wo er nachts jobbte und tagsüber für Rollen in Musicals und Filmen vorsprach. Nach einem Engagement im Musical "Hair" konnte er sich 1973 die Rolle des Eddie in der "Rocky Horror Show" sichern. Das Musical wurde zwei Jahre später unter dem Titel "The Rocky Horror Picture Show" verfilmt und hat Meat Loaf damit zumindest in den Programmkinos dieser Erde unsterblich gemacht.

Sanitäter in der Not

Zur gleichen Zeit arbeitete Meat Loaf mit dem Produzenten Jim Steinman an dem Musical "Neverland", aus dem das Album "Bat out of Hell" entstehen sollte. Das Duo fand lange Zeit keine Plattenfirma. Doch am 27. Oktober 1977 kam "Bat out of Hell" auf den Markt, nachdem sich das eher unbedeutende Label Cleveland International Records entschlossen hatte, Meat Loafs Stimme und Steinmans Arrangements eine Chance zu geben. Bis heute wurde das Album 41 Millionen Mal verkauft, es steht im Guinness Buch der Rekorde als "The Longest Charting Record": Es stand Ivan-Lendl'sche 474 Wochen lang in den Charts.

Abgesehen vom Erfolg beim Publikum setzte "Bat out of Hell" künstlerische Maßstäbe. Steinmans Kompositionen sind opulent und wurden oft als wagneresk bezeichnet. Meat Loafs Stimme umfasste zu dieser Zeit vier Oktaven. Jedes Lied sollte einen Akt eines siebenteiligen Theaterstücks darstellen.

So muss der Protagonist im Lied "Paradise by the Dashboard Light" seiner Geliebten versprechen, ewig mit ihr zusammenbleiben zu wollen, damit sie sich ihm hingibt. Diese Szene gipfelt in den pathetischen Zeilen: "So I'm swearing to my god and to my mother's grave that I would love you to the end of time - so now I'm praying for the end of time, so I can end my time with you."

Mit dem Erfolg des Albums begann eine persönliche Krise bei Meat Loaf. Nach einer Welttournee verlor er seine Stimme, er wurde von seinen Managern verklagt, er soll Kollegen und Freunde mit einer Pistole bedroht haben. Er zerstritt sich mit Steinman, die mit anderen Produzenten veröffentlichten Platten floppen. 1982 ging Meat Loaf bankrott und verfiel dem Alkohol.

Rüschenhemd, leicht übergewichtig

Erst als er sich mit Steinman versöhnt und 1993 "Bat out of Hell II: Back Into Hell" herausbringt, kehren der künstlerische und wirtschaftliche Erfolg zurück. 1994 singt er beim Baseball-All-Star-Spiel die amerikanische Nationalhymne, 1995 in Modena gemeinsam mit Luciano Pavarotti "Come Back To Sorrento". Er spielt Nebenrollen in Filmen wie "Wayne's World", "Fight Club" und "The Mighty". Bei seinen Konzerten vor allem in Europa gelingt es Meat Loaf, Stadien zu füllen.

An diesem Donnerstag feiert Meat Loaf seinen 60. Geburtstag. Seine Stimme umfasst keine vier Oktaven mehr, bei Live-Konzerten braucht Meat Loaf offensichtlich einige Lieder, um sich einzusingen. Sein kreativer Output hat in den vergangenen Jahren deutlich abgenommen. Kritiker werfen ihm vor, vom Ruhm vergangener Jahre zu leben und sich nur noch selbst zu inszenieren.

Genau das jedoch liebt Meat Loaf: Wenn er mit Rüschenhemd und langem schwarzen Mantel, mit kurzen Haaren und nur noch leicht übergewichtig, in Londons Royal Albert Hall ein Konzert geben darf. Er ist eben doch mehr Schauspieler als Sänger.

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