MDR:Passage nach Indien

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MDR-Gründungsintendant Udo Reiter steht vor seiner Wiederwahl. Doch nun bereitet eine ebenso teure wie fragwürdige Reise einer "hochrangigen Gesellschaft" nach Delhi dem notorisch klammen Sender Probleme.

Christopher Keil

Seit der Gründung des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR) 1991 ist manches passiert im Leipziger Funkhaus, und stets trug ein Mann die Verantwortung: Udo Reiter, der in Lindau am Bodensee geborene Gründungsintendant. Reiter, 64, musste Affären wie die um Sportchef Wilfried Mohren abwickeln, er versuchte formale und juristische Fenster zu öffnen, um den Schatten der Stasi aus den MDR-Redaktionen zu vertreiben.

MDR-Intendant Reiter: Passage nach Indien. (Foto: Foto: ddp)

Problemlos schnurrte nur das regionale Fernsehen des MDR, eine oft schwer erträgliche Mischung aus Ostalgie und Riverbootromantik. Der Westdeutsche Reiter ist besonders stolz darauf, dass der MDR nie als Besatzungs-TV aufgenommen wurde und zehn Prozent des ARD-Programms fabriziere.

Damit das so bleiben kann, forderte Reiter von der nächsten Gebührenperiode an einen hohen ARD-internen Finanzausgleich. In den kommenden Jahren, so rechnete er vor, gingen dem MDR erhebliche Gebühreneinnahmen verloren: wegen des überproportionalen Anteils von Hartz-IV-Empfängern im Sendegebiet, außerdem durch die Abwanderung der Menschen in die alten Bundesländer. Bis Ende 2008 müsse der MDR schon 100 Millionen Euro einsparen.

Prominente Gesellschaft im Ausland

Weil das Thema in der ARD nicht ohne Emotionen geführt wird, war mancher im MDR erstaunt, als Ende März eine prominente Gesellschaft ins Ausland aufbrach. Weil im ARD-Studio Delhi das "traditionelle Sommerfest" stattfand, wie im MDR-Intranet berichtet wurde, jetteten Fernsehdirektor Wolfgang Vietze, Chefredakteur Wolfgang Kenntemich, der Rundfunkratsvorsitzende Heinz Ducke und der Verwaltungsratsvorsitzende Wolfram Thost nach Indien.

Bei "sommerlichen Temperaturen" (Intranet) wurde im Beisein des deutschen Botschafters "und seiner Gattin", außerdem von Vertretern der Botschaften Pakistans, Afghanistans sowie der deutschen Wirtschaft der Wechsel der Studioleitung und die Inbetriebnahme eines neuen Studios gewürdigt.

Seit 1993 berichtet der MDR aus Südasien, inzwischen umfasst die Zuständigkeit Indien, Pakistan, Afghanistan, Sri Lanka, Nepal, Bangladesh, Bhutan und die Malediven. Neu ist, dass der Hessische Rundfunk (HR) als Partner mitwirkt, Chef des Studios ist ein MDR-Journalist geblieben, Florian Meesmann.

Ob es an der Hierarchie lag, dass sich die vier MDR-Männer nach "Prüfung der Konditionen im Vorfeld" (MDR Pressestelle) Business-Class leisteten, während die zwei HR-Gesandten, Fernsehdirektor Manfred Krupp und der persönliche Referent des Intendanten Helmut Reitze, "selbstverständlich Economy" flogen, wie der HR informierte? Die Kosten, ließ der MDR mitteilen, "belaufen sich im Rahmen der üblichen Dienstreisekostenordnung". Selbstverständlich war beim MDR dafür, dass es "bei einem Intercontinentalflug" automatisch Business-Class sein musste.

Man fragt sich, warum der MDR eine vier Personen starke "Delegation" (Pressestelle) schickt, um die in der ARD relativ unbedeutende Studioübergabe persönlich zu schmücken? Es seien, so die offizielle Antwort, "ausführliche Gespräche (...) zu Arbeitsbedingungen und Herausforderungen in den Krisengebieten sowie zur materiell-technischen Ausstattung des Studios" geführt worden.

Krisengebiet des MDR

Das Krisengebiet des MDR liegt doch dabei ganz woanders, in der Finanzlage beispielsweise, oder auch in Leipzig. Am 16. April soll in der ARD die MDR-Produktion "12 heißt: Ich liebe dich" gezeigt werden. In dem Spielfilm geht es um die Beziehung zwischen einem Stasi-Offizier und einer DDR-Oppositionellen. Grundlage ist eine authentische Geschichte. Acht Opferverbände forderten den MDR schriftlich auf, sich von dem Fernsehspiel zu distanzieren. Ihr Vorwurf: Verharmlosung der Stasi-Verbrechen. Die Regisseurin, Connie Walther, sagte nach eine Präsentation in Leipzig: Alle redeten über einen Film, den noch kaum jemand gesehen habe.

An diesem Montag wird sich Udo Reiter (MDR-Mitarbeiterausweis Nummer 1) seiner Wiederwahl stellen. Es geht um die Jahre 2009 bis 2015. Der Verwaltungsrat hat ihn vorgeschlagen, der Rundfunkrat muss ihn wählen. Die Vorsitzenden beider MDR-Gremien haben sicher noch viel zu erzählen: von ihrer Passage nach Indien.

© SZ vom 7.4.2008/lala - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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