Maxim-Gorki-Theater:Orbán-Farce

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Etwas Gutes hat die rechtskonservative Regierung Orbán: Jetzt kommen all die tollen ungarischen Theaterleute zu uns, zum Beipiel mit "Mephistoland".

Von Peter Laudenbach

Die Proben für die Bühnenadaption von Klaus Manns Roman "Mephisto" laufen etwas zäh. Die Regisseurin (Bettina Hoppe) beschimpft ihre Schauspieler ("Heul doch, dann redest du wenigstens nicht") und lässt ihrem Tourette-Syndrom freien Lauf ("verfickte Scheiße"). Die miese Stimmung im ungarischen Staatstheater hat einen Grund: In ein paar Tagen wird das Haus einen neuen, von der rechtskonservativen Orbán-Regierung eingesetzten Intendanten bekommen.

Der ungarische Regisseur András Dömötör hat im Studio des Berliner MaximGorki-Theaters "Mephistoland", eine wütende Farce über die Verhältnisse an den Bühnen in Viktor Orbáns Ungarn, inszeniert, die vom Regime zu Propagandainstrumenten der nationalistischen Selbstfeier umgebaut werden. Aber triste politische Verhältnisse sind kein Grund, die gute Laune zu verlieren. Also treiben András Dömötör und das bestens aufgelegte Gorki-Ensemble die Backstage-Comedy in die lustige Polit-Groteske.

Bettina Hoppe ist nicht nur als wütende Regisseurin, die sich aus Protest gegen die Welt im Allgemeinen und das Regime im Besonderen die Zunge abschneidet, eine Freude. Sie liefert in Gestalt des regimetreuen Neu-Intendanten Grünberg auch die Kontrastfigur von schönster Klemm-Spießigkeit. Der arme Grünberg ist ein religiöser Eiferer mit Peter-Handke-Brille und -Frisur, der von einem Theater der seelischen Reinigung träumt, was immer das sein mag.

Tim Porath gibt als Schauspiel-Diva der eher anstrengenden Sorte den Gründgens, der anders als das historische Vorbild dann doch nicht mit dem Regime kollaboriert. Während seine früheren Kollegen zur Unterhaltung der neuen reaktionären Oberschicht Musicals aufführen, hat er einen neuen Job im Ausland gefunden: Er arbeitet als Animateur in einer Sauna und darf, wenn eine Delegation des Goethe-Instituts dort schwitzt, auch mal den Mephisto rezitieren. Zumindest ein Gutes hat Orbáns Kulturpolitik: Jetzt kommen die tollen ungarischen Theaterleute hierher und zeigen uns, wie man sich über die gefährlichen Dummheiten von Rechtskonservativen lustig macht.

© SZ vom 16.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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