Matti Salminen:Mit voller Kraft

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Der finnische Opernsänger begeisterte das Publikum weltweit. Nun sagt Matti Salminen "Adieu" - auch den Münchnern.

Von Klaus Kalchschmid

Der Kapitän Daland in Richard Wagners früher romantischer Oper "Der fliegende Holländer" ist wie der duckmäuserische und dann doch endlich erstaunlich mutige Gefängniswärter Rocco in Ludwig van Beethovens "Fidelio": eine denkbar zwiespältige, wenn nicht gar unsympathische, auf jeden Fall äußerst berechnende Vaterfigur. Aber wenn der finnische Bassist Matti Salminen diesen Mann verkörpert, der für eine Truhe Geld, Gold und Schmuck seine Tochter Senta an einen geheimnisvollen Seemann verschachert, erlebt man einen vielschichtigen Charakter.

Ob in der legendären Produktion von Harry Kupfer zu Beginn der 1980er Jahre bei den Bayreuther Festspielen, als Salminen noch keine 40 Jahre alt war, oder vor einigen Jahren in einer pittoresken Freiluftaufführung mit zwei historischen Schiffen am Fluss, der durch seine finnische Heimatstadt Turku fließt; ob auf der imposanten Burg von Savonlinna im Norden Finnlands; 2013 in Zürich als Chef eines holländischen Kontors, das die Schiffe aus den Kolonien koordiniert; oder immer wieder in Peter Konwitschnys Inszenierung an der Bayerischen Staatsoper, bei der jeder Aufzug in einer anderen Zeit spielt: Salminen ruht mit seinem profunden Bass immer in sich, spielt aber gleichzeitig mit so durchtriebenem, verschmitztem Humor in diesen so verschiedenen Inszenierungen, dass man ihm einfach gerne zuhört und darüber das Negative der Rolle fast vergisst.

Matti Salminen in seinen Münchner Rollen: Als Daland in der aktuellen Inszenierung von "Der fliegende Holländer",... (Foto: Wilfried Hösl)

Mit fast 71 Jahren verabschiedet er sich nun von der Bühne. In München ist er als Daland Ende Juli zum letzten Mal zu sehen. Bis ins Alter hinein sind Salminens prächtiges, ebenso gewaltiges wie dunkles Timbre und seine spezifische Art zu singen und expressiv zu artikulieren unverwechselbar geblieben. Groß und mächtig an Körperfülle war er schon immer. Allenfalls sind seine Augenringe nun tiefer, Haupthaar und Bart vollständig ergraut. Die Stimme hat an Reife und Düsterkeit gewonnen, aber auch ein wenig an (Leucht-)Kraft und Beweglichkeit eingebüßt.

Schon unmittelbar nach dem Studium in Rom und Helsinki sang der erst 21-Jährige an der dortigen Nationaloper zunächst im Chor, dann ab 1969 als Solist. 1972 wird er Ensemblemitglied der Kölner Oper, singt aber auch oft am Zürcher Opernhaus alle wichtigen Partien seines Fachs, gehört ab 1984 zum Ensemble und tritt bis heute immer wieder dort auf. Von 1976 bis 1987 ist Salminen jedes Jahr in Bayreuth zu erleben - jeweils in mehr als einer der mittleren und großen Bass-Partien Wagners. Von ihnen fehlen ihm in der fränkischen Festspielstadt nach Hunding, Marke, Fasolt, Pogner, König Heinrich und Landgraf Hermann nur Gurnemanz und Hagen. Die hat er andernorts ausgiebig gesungen, war er doch Gast in Genf, Paris, Mailand, New York, San Francisco, Berlin, Baden Baden oder Salzburg.

...als Philipp II in "Don Carlo" im Jahr 2004... (Foto: Wilfried Hösl)

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Matti Salminen hat, wie alle großen Bässe, die im Kleinen wie Großen Herrschenden, oder sich zumindest mächtig Fühlenden verkörpert: den eitlen Haremswächter Osmin in der "Entführung" und den Sonnenkönig Sarastro in der "Zauberflöte", Verdis zwiespältigen König Philipp II. ("Don Carlos") oder Wagners König Heinrich ("Lohengrin") und König Marke ("Tristan und Isolde"), Fürst Gremin in Tschaikowskys "Eugen Onegin", Mussorgskys selbstkritischen, verquälten Zar Boris Godunow oder, vom berühmten Landsmann Aulis Sallinen extra für ihn komponiert, Shakespeares greisen König Lear. Es ist dies die Sehnsuchtsrolle aller alternden Schauspieler und bislang auf der Opernbühne den lyrischen Baritonen vorbehalten - in Aribert Reimanns kühnem "Lear".

Salminen hat nicht nur für seine Stimme vermeintlich entlegenes Barock-Repertoire wie die Bass-Arien in Johann Sebastian Bachs Matthäuspassion gesungen oder in der berühmten Ponnelle-Inszenierung am Zürcher Opernhaus den Philosophen Seneca in Claudio Monteverdis Oper "L'incoronazione di Poppea" verkörpert, sondern auch in den Feldern der Unterhaltungsmusik gewildert. So nahm er auch eine CD mit Finnischem Tango auf.

Die Domäne waren und blieben für den Bassisten aber die spannenden Finsterlinge der Opernbühne: Hunding, den er in Patrice Chéreaus Inszenierung in Bayreuth von 1976 bis 1980 sang, oder noch fast 30 Jahre später in der postmodernen schrillen Version von Fura dels Baus (Valencia 2008) und der abgrundtief böse Hagen in Richard Wagners "Götterdämmerung".

...und als Hermann in "Tannhäuser" im Jahr 2010. (Foto: Wilfried Hösl)

Am 6. Juli wird Matti Salminen 71. Jahre alt. Kurz danach singt er noch einmal Boris Godunow in Wiesbaden. Am 19. und 22. Juli verabschiedet er sich als Daland von seinem Münchner Publikum und im Herbst als Rocco von seinen Berliner Fans an der dortigen Staatsoper im Schillertheater.

Der fliegende Holländer , 19. und 22. Juli, jeweils 19 Uhr, Nationaltheater, Max-Joseph-Platz

© SZ vom 22.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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