Mario Barth in Berlin:Witzigkeit kennt keine Grenzen

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Und kein Pardon: 70.000 Fans lachen über "Neues vom Pipimann". Kalauerkönig Mario Barth füllt das komplette Berliner Olympiastadion und steht nun endlich im Guiness-Buch.

Renate Meinhof, Berlin

Aber das Essen war sehr gut. Es gab Kartoffelsalat, kleine Boulettchen mit Senf, panierte Schnitzel, Käsespieße, Melone zum Nachtisch, und als ER dann nach stundenlangem Vorprogramm um 20.45 Uhr auf die Bühne trat, ging noch etwas zum Knabbern durch die Reihe, etwas, wofür man, wie beim Fernsehen, nur noch in eine Tüte greifen muss, ohne hinzugucken, damit man IHN im Blick behalten kann.

Kritiker nennen ihn "Kollateralschaden der Demokratie", seine Fans feiern ihn: Mario Barth. (Foto: Foto: AP)

Mario Barth, ein Menschlein vor Gigantenkulisse, ein Gesicht, das, auf sechs Videoscreens geworfen, durch die Nacht geisterte. Ein Neuköllner im Taumel des Weltrekords: 70.000 Menschen waren am Samstagabend seinetwegen ins Berliner Olympiastadion gekommen, bisher der größte Live-Auftritt eines Comedians.

"Sieb-zich-tausend", sagt Anke Rau. "det musst du erstmal hinkriegen, und der bleibt trotzdem einer von uns". Anke Rau, 41 Jahre alt, Verkäuferin "im Fischbereich" bei Metro, trägt kurz geschnittenes Haar im rötlichen Ton. Sie ist mit ihrem Mann, ihrem Sohn und dreizehn Freunden aus der Nähe von Oranienburg gekommen. Sie hatten sich abgestimmt, Tage zuvor schon am Telefon, wer was mitbringt, damit man nichts kaufen muss im Stadion, wo alles so teuer ist.

Neues vom Pipimann

Sie sitzen Aufgang 30, im Oberring: eine Reihe Nordrand Berlin. Eine Friseurin, eine Stationsschwester, ein Heizungsmonteur, ein Malermeister, eine Fräserin. Sie sind mit der S-Bahn gekommen, die um 15.30 Uhr schon so voll war, dass das Atmen schwer fiel. Einerseits können sie jeden seiner Gags mitsprechen, andererseits "gibt det so ein Gänsehautjefühl", sagt Anke Rau, "wenn man IHN mal live erlebt". Sie sagt das mit Ehrfurcht in der Stimme.

ER? IHN? Wer bitte ist Mario Barth?

Das ist der mit den Männern und Frauen, der in ganz Deutschland die Arenen füllt, der 1,5 Millionen Mal sein Wörterbuch verkauft hat: "Deutsch-Frau, Frau -Deutsch". Er hat Gold- und Platin-Schallplatten bekommen, und dreimal den Deutschen Comedy-Preis. Der, den Kritiker als "Kollateralschaden der Demokratie" bezeichnen, der ist das.

"Männer sind primitiv, aber glücklich!", heißt seine Live-Tour, die im Olympiastadion ihren Abschluss findet. Einfache Einsichten sind es, mit denen Barth die Leute zum Lachen bringt. Frauen gehen immer nur zu zweit aufs Klo, und Männer furzen lange, wenn sie am Pissoir stehen (Mario Barth furzt sekundenlang ins Mikrofon). Frauen machen beim Fernseher immer den roten Punkt aus, weil sie Strom sparen wollen, aber sie fahren Hunderte Kilometer, um im "Fabrikverkauf" eine Handtasche zu erstehen.

Frauen zwingen Männer, sich beim Pinkeln aufs Klo zu setzen ("Hey, und die kontrollieren det ooch: Na, drückste den Pipimann auch runter?"). Frauen ziehen sich, wenn sie "nur Haare" waschen, immer "splitternackt aus", hängen sich über die Badewanne und gickern dann, wenn ihre Brüste den kalten Rand berühren. Barth rast über die Bühne, hängt sich über einen imaginären Wannenrand und gickert. "Also, wenn du da durchs Schlüsselloch kiekst, det is so geil, sach ik dir! Det is so geil!"

Aufgang 30 brüllt, und irgendwo unten, vor den Videowänden, brüllen sie seinen Namen: "Majo! Majo! Majo!" Auf den Toiletten drängen sich die Leute und brüllen im Takt von "We will we will rock you" - "Wir woll'n, wir woll'n pullern!"

"Fresse halten angesagt!"

Als alles vorbei ist, sagt Ramona Hübner, Fräserin aus Oranienburg: "Man nimmt das doch ins Leben mit, der spricht nich so abgehoben, der spricht so wie wir." Wer die Gags nicht kenne, würde im Alltag bei der Arbeit gar nicht mitreden können. Nicht im Fischbereich der Metro, nicht im Krankenhaus und auf der Baustelle auch nicht. "Janz wichtig: Fresse halten angesagt!" ist so ein Spruch, den nur versteht, wer Mario Barth kennt. Viele an diesem Abend tragen T-Shirts, auf denen das steht. Die Stationsschwester sagt: "Man flicht die Sprüche so in den Behandlungsablauf ein, wissen Se, denn steht man nich so draußen. Det verstehen ja alle."

Die Gruppe aus dem Berliner Norden schafft es, zusammen zu bleiben, als sich 70.000 Menschen Richtung S-Bahn schieben. Fast nichts übrig geblieben von dem, was sie mitgebracht hatten. Sie reden jetzt von Mario wie von einem guten Freund, den man bewundern kann, weil er es geschafft hat, vom Urlauberanimateur auf Fuerteventura bis in dieses Stadion. Einer von sechs Söhnen, Mario, der seine Mutti begrüßt, die auch gekommen ist. "Für mich is det ne Feier", hatte er kurz vor der Show gesagt, bei einem Fototermin, und sie haben ihn gefeiert.

Als die Oranienburger Gruppe schon längst, in die S-Bahn gedrückt, durch Berlin Richtung Norden fährt, wischen auf den Toiletten im Oberring die Klofrauen lautlos weg, was an diesem Abend daneben ging. Das war einiges.

© SZ vom 14.7.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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