Männersender:Ein deutsches Biotop

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Für die "tollsten Menschen der Welt": Der Männersender Dmax hat überraschenden Erfolg - ganz ohne Fußball und Erotik. Und kommt damit dem Mysterium des modernen Mannes ein Quötchen näher.

Simon Feldmer

Die Welt des modernen Mannes ist schon lange nicht mehr das, was sie einmal war. Selbst der Spiegel gab sich neulich nach 50 Jahren Emanzipation recht besorgt und fragte mit dem Geschlechterforscher Walter Hollstein, was "vom Mann noch übrig" sei.

Erfolg in der Nische mit ungewöhnlichen Themen: Von August an bringt Dmax eine Doku-Serie über die Rettungsschwimmer am australischen Bondi Beach, dem berühmten Strand von Sydney. (Foto: Foto: Reuters)

In der Tat, ein großes Rätsel, über das sich verstärkt auch TV-Manager Gedanken machen - spätestens seit der im Juni ausgetragenen Fußball-Europameisterschaft. Da saßen bei einigen deutschen Spielen mehr Frauen als Männer vor dem Fernseher.

Mysterium moderner Mann: Zahlreiche Studien versuchen, sein Wesen zu ergründen. Gerade förderte das Männermagazin Maxim in einer Umfrage mit dem großen Titel "Der deutsche Mann 2008" die Erkenntnis zu Tage: Er sei "ganz anders - und doch der alte geblieben".

Deutlich konkreter wird da ein junger Spartensender, der mit einer auf den ersten Blick seltsamen Programmmischung und dem Spruch "Fernsehen für die tollsten Menschen der Welt: Männer", dem neuen schwachen Geschlecht Mut zuspricht.

Scharfe Konkurrenz

An seiner Spitze steht, im besten Sinne der Emanzipation, eine Frau, eine der wenigen Geschäftsführerinnen eines deutschen Fernsehsenders. Sie lerne jeden Tag etwas Neues über die Eigenheiten und Vorlieben der Männer dazu, sagt Katja Hofem-Best, 38.

Dmax, so der Name des TV-Kanals, sei sozusagen ein "ideales Biotop". Das amerikanische Mutterhaus, der Medienkonzern Discovery Communications, dürfte zuletzt durchaus Freude an seinem deutschen Biotop gehabt haben.

Marktanteile und Werbeeinbuchungen seien seit dem Start kontinuierlich gestiegen, berichtet Hofem-Best. In der Sendergruppe der dritten Generation, zu der junge Spartenkanäle wie Comedy Central, Tele5 oder Das Vierte zählen, konnte sich Dmax mittlerweile weit vorne platzieren. Im vollgestopften deutschen Fernsehmarkt ist das kein Selbstläufer.

Nicht alles, was sich in der TV-Welt an Klein- und Kleinstanbietern um Marktanteilspromille balgt, hat Erfolg. Und nicht jedes amerikanische Medienunternehmen wird glücklich mit seinen Millionen, die es in den deutschen Markt pumpt.

Durch die Krise der Senderkette Pro Sieben Sat1 wird gerade zwar viel Werbegeld neu verteilt, von dem vor allem kleine Special-Interest-Sender profitieren können. Aber nicht alle tun das auch. Erst im Juni stieß der Medienkonzern NBC Universal nach nicht mal drei Jahren seinen Spartenkanal Das Vierte ab. Trotz beträchtlicher Startinvestitionen und des vollmundigen Slogans "Wir sind Hollywood" war es nicht gelungen, neben dem deutschen Spielfilmsender Tele 5 eine weitere Abspielstation für alte Serien- und Filmware zu etablieren.

Das Vierte hat nun der russische Medienunternehmer Dmitrij Lesnewski, 38, gekauft. Lesnewski hat viel Geld und große Pläne. Seinen Neuerwerb will er zum Vollprogramm umbauen, mit Serien in Erstausstrahlung, Unterhaltungsshows, Nachrichten.

Eigenwilligkeit im Mediendschungel

Aber auch andere Anbieter tun sich schwer: Comedy Central, die jüngste Schöpfung des New Yorker Viacom-Konzerns (MTV, Viva) kommt mit seiner Mischung aus internationalen Sitcoms und deutschem Clipshow-Recycling ("Die dümmsten Männer", "Die dümmsten Esel", "Die dümmsten Wasserratten") nicht recht vom Fleck.

Viele amerikanische Medienhäuser sehen die Zukunft im Pay-TV. Rupert Murdoch hat sich bei Premiere beteiligt. Seine Fox-Gruppe startete erst im Mai einen Ableger: Der deutsche Fox Channel zeigt seitdem amerikanische Serien wie "Lost" oder "The West Wing" im Zweikanalton, ist aber bisher in wenigen Pay-TV-Paketen vertreten. Der US-Verlag Hearst Corporation ( Harper's Bazaar, Cosmopolitan) will spätestens 2009 mit dem neuen Bezahlsender Cosmopolitan TV deutsche Frauen glücklich machen. Und auch Discovery macht viel Pay-TV.

Frauen, Männer, Comedy-Aufguss, Spielfilmklassiker: Die Unübersichtlichkeit wächst weiter, obwohl der TV-Markt durch das Internet immer stärker unter Druck gerät.

Discoverys Dmax bemüht sich im Mediendschungel mit einer durchaus eigenwilligen Programmmischung um Aufmerksamkeit. Im selbsternannten Männerkanal dreht sich viel um Auto-Tuner, Hobby-Schrauber, Profi-Angler und das perfekte Grillfleisch.

Zum ganz großen Trend hat der Sender die Tattoo-Nadel erklärt: Gleich mehrere Magazine flimmern über den Bildschirm, in denen optisch meist ziemlich wilde Kerle ziemlich wilde Muster in die Haut ihrer Opfer stechen.

Klassiker der gedruckten Männerpresse wie Fußball und Erotik finden bei Dmax nicht statt, nicht mal zu später Stunde, wenn die Konkurrenz mit Ruf-mich-an-Clips Geld verdient. Der Sendertrend heißt: echte, gerne etwas abseitige und keinesfalls auf Hochglanz polierte Typen.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, warum das Erzählen authentischer Geschichten nicht immer funktioniert.

Im September feiert Dmax seinen zweiten Geburtstag. In der Zentrale deutet bis heute wenig darauf hin, dass hier tatsächlich Fernsehen gemacht wird: Auf einem ganzen Stockwerk in einem Bürokomplex an der Münchner Maximilianstraße arbeiten 100 Mitarbeiter in Großräumen und blicken auf Designer-Boutiquen.

Für Dmax-Geschäftsführerin Hofem-Best ist Fernsehmachen vor allem Handwerk, also Kopf- und Marketingarbeit. Sie sagt: "In einer sich immer weiter fragmentierenden Medienwelt ist die klare Positionierung entscheidend."

Marktforschung betreiben, Nische erspähen, Businessplan schreiben: Das Programm selbst ist in dieser Logik dann ein austauschbares Produkt, das möglichst schnell Rendite erwirtschaften soll. Bei Dmax hat das offenbar funktioniert: Gewinne werden wohl schon gemacht.

Loungige Möbel im Eingangsbereich, viel Glas, keine Studios. Die Eigenproduktionen - mehr als 50 Prozent des Programms in der Primetime - werden bei Produktionsgesellschaften eingekauft. Angeblich "mit einer Null-Prozent-Floprate" (Hofem-Best).

Erst der Sturz, dann der Flop

Die Fernsehmanagerin ist wohl eine Expertin, sie arbeitete früher bei RTL 2. Dort wäre ihr so ein Satz nicht über die Lippen gekommen. "Unser oberstes Prinzip ist es, authentische Geschichten zu erzählen", sagt sie. Das funktioniert nicht immer.

Als der Sender im vergangenen Winter den Schauspieler Jan Josef Liefers auf dem Motorrad durch Südamerika fahren ließ, ging einiges schief. Liefers stürzte, musste die Dreharbeiten abbrechen. Die Zusammenfassung der missglückten Tour lief später ohne Erfolg. Ein neuer Versuch mit Abenteurer Liefers ist derzeit nicht geplant. Auch ein neues Lifestyle-Magazin, im Herbst groß angekündigt, hat bisher nicht das Licht der Öffentlichkeit erblickt.

Wenigstens versinkt Dmax nicht im Einheitsbrei: Die Konkurrenz schickt mehr oder minder prominente Society-Glühwürmchen auf den Bauernhof oder in die Eishalle.

Der Münchner Männersender filmt fürs Segment Reality-TV korpulente Brüder auf einem Schrottplatz in Dernbach im Westerwald - inzwischen in der vierten Staffel und ohne sich über die Protagonisten lustig zu machen.

Sogar in die Niederlande, nach Polen und Russland wurde das hauseigene Erfolgsformat "Die Ludolfs - 4 Brüder auf'm Schrottplatz" verkauft. Dmax bereitet kuriose Schrullen sendefähig auf, ist dabei aber nicht herablassend. Das schätzt die Zielgruppe - junge Männer zwischen 20 und 39 Jahren - offenbar. Geistreiches findet man dafür selten.

Bei Dmax dudelt das Fernsehen so vor sich hin und tut dabei niemandem weh. Die Geschäftsidee mit dem erotikfreien Männerfernsehen, mit dem sich folglich auch die Werbewirtschaft anfreunden kann, scheint jedenfalls aufzugehen.

Erfolg im härtesten Fernsehmarkt

Bei 1,1 Prozent in der Zielgruppe der 14- bis 49-jährigen Fernsehzuschauer kam der Sender im Juni an und lag damit knapp vor Kanälen wie MTV, DSF oder n-tv. Für Hofem-Best und Verkaufs-Geschäftsführer Magnus Kastner, die zusammen die Geschäfte der Dmax-Muttergesellschaft Discovery Networks Deutschland leiten, ist dennoch Luft nach oben. "Wir wollen der führende Sender der dritten Generation werden", sagen sie. Eine Verdoppelung des aktuellen Marktanteils sei langfristig realistisch.

Um das zu schaffen, sollen im dritten Senderjahr vor allem das Programm (Sport bleibt weiter außen vor, Fiktionales könnte dazukommen) und die Internetpräsenz ausgebaut werden.

Im Internet soll bis Ende des Jahres das Streaming aufleben - mit den Dmax-Eigenformaten als Zugpferd. Und auch das amerikanische Mutterhaus hat weitere Pläne: Discovery Communications plant offenbar, bald in anderen Ländern - in England gibt es Dmax bereits - weitere Ableger zu starten.

Ein kleines Netzwerk könnte entstehen. "Wenn man es in Deutschland, im härtesten Fernsehmarkt der Welt, schafft, liegt das nahe", sagt Geschäftsführer Kastner.

Sie sollten sich beeilen damit, solange vom Mann noch etwas übrig ist.

© SZ vom 23.07.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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