Madonna auf der Berlinale:Macht Madonna Dreck?

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Wenn Sie, geschätzte Leserin, geehrter Leser, heute zum Zahnarzt müssen und in Bunte oder Gala Madonna und andere Promis bewundern, sollten Sie wissen, wie diese herrlichen Bilder zustande kommen.

Willi Winkler

Ja, ob ich denn gar keine Promis gesehen habe in Berlin, fragen sie zu Hause. Reichlich, antworte ich, und fast so viele wie im Fernsehen oder in der Bunten. Wenn Sie, geschätzte Feuilleton-Leserin, geehrter Leser, in den nächsten Tagen zum Zahnarzt müssen und dort in der heute erscheinenden Bunte oder Gala die Promis in all ihrer textilen und tiefdekolletierten Pracht bewundern werden, sollten Sie wissen, wie diese herrlichen Bilder zustande kommen.

Es kreist ein Kran mit einer Kamera vornedran über die schaulustige, aber keineswegs zahlreiche Menge. Wenn es Abend wird, fahren deutsche und internationale Prominente vor, um sich eine meist langweilige Preisverleihung anzuschauen. Das dürfen sie aber nicht zugeben, da es sich um "Cinema for Peace" handelt. Außerdem gibt es hinterher lecker zu essen.

Manche zahlen für die Ehre, mit Florian Langenscheidt oder Sir Bob Geldof Jakobsmuscheln essen zu dürfen, sehr viel Geld. Damit haben alle wieder ein gutes Werk getan, von dem die Bürgerkriegsopfer in Darfur aber leider nichts erfahren. Dafür erfahren die Leser der genannten Magazine viel darüber, wie friedensbewegt Sir Florian Geldof oder Bob Langenscheidt oder Catherine Dingens sind.

Die wichtigsten Bilder entstehen vor dem Palast. Deutsche Promis tragen gern geschlitzten Rock und Schuhe, bei denen der besorgte Beobachter wenn nicht den Kollaps der Stakserin so doch den der sie auffangenden Krankenkasse fürchtet. Mario Adorf verweilt lange vor den Fotografen und zeigt auf den einen oder anderen, als würde er ihn gleich aufrufen. Während Hilary Swank einfach nur lächelt, hat die deutsche Prominente eine Kopfbewegung entwickelt, bei der sie den Blick von links vom roten Teppich nach rechts oben führt, als wollte sie sich eine besonders fette Linie in die Nase schniefen. Das strafft die Falten und macht auch sonst einen schönen Hals, wirkt aber vor allem geheimnisvoll. Wo schaut sie bloß hin? Meint sie wirklich mich?

Sind die Promis anders als wir? frage ich die Klofrau im Hyatt. Sind sie hier? Eine Klofrau darf man nicht Klofrau nennen, im Hyatt schon gar nicht. Die Klofrau im Hyatt ist blond wie alle Russinnen, stammt aber aus der Ukraine, hat dann einen Mann geheiratet, der ihr einen ehrlichen deutschen Namen gab, die Staatsbürgerschaft, ein neues Zuhause, alles, wovon Russinnen so träumen. Den ganzen Tag steht sie zwischen den beiden Abteilungen, witscht, wenn mal weniger los ist, bei den Männern rein, dann bei den Frauen, putzt weg, was übrig geblieben ist, aber über die Promis weiß sie nur, dass sie auch Dreck machen.

Draußen vor dem Hotel halten Berliner Nichtprominente Täfelchen hoch, mit denen sie eine Karte für eine Premiere suchen, hier drin belästigt niemand die Stars. Niemand beachtet Senta Berger, die nach jemand zu suchen scheint. Hannelore Elsner sagt sogar was auf Bayrisch, aber wenn sie diese rote Jacke nicht trüge, sähe sie überhaupt keiner.

Im Sofa sitzt Dieter Moor, der irgend etwas Hochkulturelles im Fernsehen moderiert. So wie er dahockt, beiläufig in einem Druckwerk blätternd, ist er von beiden Hyatt-Zugängen aus gut zu erkennen, aber er könnte genauso gut unsichtbar sein. Niemand erkennt ihn. Sieht denn keiner mehr fern? Jetzt muss ich leider aufhören, geschätzte Leserin, verehrte Leser, war sehr schön bei Ihnen, aber Madonna kommt gleich, Madonna! Ob sie wirklich geliftet ist?

© SZ vom 14.2.2008/korc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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