Lothar-Günther Buchheim:"Ein sensibler und kraftvoller Mensch mit großem Durchsetzungsvermögen"

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Zum Tod des Kunstsammlers, Autors, Malers und Fotografs - ein Nachruf.

Manfred Hummel

Als er vor gut einer Woche in seinem Museum der Phantasie in Bernried am Starnberger See der Eröffnung einer Ausstellung selbst fabrizierter Poster aus der wilden 68er-Zeit beiwohnte, war Lothar-Günther Buchheim so streitbar wie eh und je. Gerade 89 Jahre alt geworden, zog das Allround-Genie vom Leder. "Wo ist denn der Rohrbach? Dass der sich hier nicht sehen lässt!"

Buchheim meinte Günter Rohrbach, den Produzenten des Films über seinen Bestseller "Das Boot". Der U-Boot-Klassiker war gerade in Berlin mit einer Goldenen Kamera als erfolgreichster deutscher Spielfilm aller Zeiten ausgezeichnet worden. Die Macher und die Schauspieler hatten sich auf der Bühne versammelt und gaben das Bild einer großen Familie ab. Nur einer fehlte: Buchheim. Es war der Jazzmusiker Klaus Doldinger, der schließlich den Namen des Autors erwähnte.

Doldinger war an diesem Vorfrühlingstag auch nach Bernried gekommen, um dem alten Seebären auf dem Saxophon ein Geburtstagsständchen zu bringen. Nach der Titelmelodie aus dem "Boot" spielte der Jazzer "La Paloma", Buchheims Lieblingslied. Es sollte eine Abschiedsmelodie sein. Am Donnerstag ist der Sammler, Autor, Maler und Fotograf an Herzversagen gestorben.

Die Realisierung eines "Hafens für seine Schäfchen", wie Buchheim das Museum für die weltberühmte Expressionisten-Sammlung immer nannte, war für ihn die Krönung seines Lebenswerks. Das hat ihn mit tiefer Genugtuung erfüllt und im Alter milde werden lassen. Trotz gelegentlichen Gepolters gegen die Feldafinger Kunstbanausen und "Gullyratten", die sein Museum 1997 in einem Bürgerentscheid abgelehnt hatten.

Buchheim und seine Gattin und Mitstreiterin Diethild verfolgten mit großer Freude, wie die Kunstinteressierten nach Bernried strömten, wo der Bau des Olympia-Architekten Günter Behnisch am 23. Mai 2001 eröffnet worden war. Damit erhielt auch der Starnberger See, der sonst nur wegen seiner vielen Millionäre von sich reden macht, einen kulturellen Anziehungspunkt.

Wenn es einmal wieder besonders viele Besucher zu den Expressionisten, aber auch zu skurrilen Holzmännchen, Briefbeschwerern und afrikanischen Masken gezogen hatte, faxte "Ditti" stolz die Besucherzahlen an Wissenschaftsminister Thomas Goppel. Mittlerweile finden jährlich bis zu 150.000 Kunstfreunde den Weg an den Starnberger See, um Buchheims "Wunderkammer" inmitten einer traumhaften Voralpenlandschaft zu bestaunen.

Selten persönliches Verhältnis zu Stoiber

Das alles wäre wohl wie in Duisburg ein "Museum in den Wolken" geblieben, hätte es nicht Edmund Stoiber gegeben. Nach der verlorenen Schlacht in Feldafing war es der bayerische Ministerpräsident, der begriff, dass sofortiges Handeln geboten war, sollten die Buchheimschen Sammlungen dem Freistaat nicht für immer verloren gehen. Fortan war das Museum Chefsache, die "Sesselfurzer", wie Buchheim die Bedenkenträger in den Ministerien zu titulieren pflegte, hatten nichts mehr zu melden.

Im Verlauf der diversen Begegnungen entwickelte Stoiber ein sonst sehr selten zu beobachtendes persönliches Verhältnis zu Buchheim. Womöglich war es eine gewisse Verwandschaft im Geiste, auch gegen viele Widerstände den eigenen Kurs durchzusetzen. "Als Schriftsteller und Publizist, als Maler und Zeichner, als Sammler und als Museumsbegründer hat er mit unermüdlicher Kraft seine oft Staunen erregenden Pläne verfolgt und verwirklicht", so der Ministerpräsident in seinem Kondolenzschreiben an Diethild Buchheim.

Die Nachricht vom Tod Buchheims so kurz nach seinem Geburtstag habe ihn erschüttert, schrieb der Ministerpräsident. Früh habe Buchheim die Bedeutung der expressionistischen Maler erkannt. Mit all seiner Energie habe er für diese Bilder und für den Aufbau des Museums gefochten.

Es belegt, so der SPD-Fraktionsvorsitzende im bayerischen Landtag, Franz Maget, ´"wie sehr es sich lohnt, sogar gegen große Widerstände zu kämpfen, wenn es um die Kunst und ihre Bedeutung für die Menschen geht. Wir sind ihm sehr dankbar, dass er seine Sammlungen, insbesondere die Expressionisten, in Bayern für die Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt hat".

Der Bürgermeister ist gespannt

Großen Respekt zollt Maget Buchheims schonungsloser Aufarbeitung des U-Boot-Krieges, mit dem er sehr wirksam zur Aufklärung über die Schrecken und die Menschenverachtung der NS-Zeit und des Zweiten Weltkriegs beigetragen habe.

Für den Starnberger Landrat Heinrich Frey war Buchheim ein "zugleich sensibler und kraftvoller Mensch, der mit großem Durchsetzungsvermögen als Kunstsammler und Literat die Kulturlandschaft überregional bereichert hat".

Der Bernrieder Bürgermeister Josef Steigenberger ist mit Buchheim immer gut zurecht gekommen. "Ich habe ihn gemocht und persönlich sehr geschätzt." Feldafings ehemaliger zweiter Bürgermeister, der den prominenten Bürger schon seit 1945 kannte, ist neugierig, ob Buchheims Leiche verbrannt und die Asche über dem Meer oder dem Starnberger See verstreut wird.

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