Leonardo DiCaprio in "Blood Diamond":Rührstück für Tiffany

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Leonardo DiCaprio legt sich im Film "Blood Diamond" mit dem Klunker-Handel an. Am Dienstag wurde bekanntgegeben, dass er für diese Rolle oscarnominiert wurde.

Tobias Kniebe

Wenn der weltumspannende Diamantenkonzern De Beers einen Film über das eigene Geschäft produzieren wollte, dann wäre der Schauplatz wahrscheinlich die Cullinan-Mine in Südafrika, und der Held wäre ein freundlicher schwarzer Minenarbeiter namens Alex Tlou.

Leonardo DiCaprio ist wild entschlossen, den Oscar zu gewinnen. (Foto: Foto: Warner Bros.)

Alex Tlou wurde mir einmal, Jahre ist's her, von einem De-Beers-Pressesprecher vorgestellt. Er führte mich durch die Mine und erzählte interessante Dinge: Von den 12000 Tonnen Gestein und dem einen Kilo Diamanten, das hier jeden Tag aus dem Berg geholt wird, von seinen wunderbaren Arbeitsbedingungen, seiner guten Bezahlung und dem firmeneigenen Golfplatz, auf dem er in seiner Freizeit bereits das Handicap 8 erzielt hatte.

Genau so idyllisch und blitzsauber sollten wir uns, wenn wir mal wieder vor dem Schaufenster von Tiffany's haltmachen, die Diamantengewinnung in Afrika bitteschön vorstellen.

Was für ein Schock also, dass jetzt ein Film namens "Blood Diamond" in die Kinos kommt, in dem skrupellose, hiphop-hörende Warlords durch Sierra Leone ziehen, Tod und Zerstörung hinterlassen und ihre Arbeitssklaven von Hand nach Diamanten buddeln lassen, die sie dann auf verschlungenen Wegen an einen Diamantenkonzern verkaufen, der durch seine Zahlungen die ganzen Grausamkeiten erst möglich macht.

Millionenschwere Imagekampagne

Das Schlagwort der "Blutdiamanten" oder "Konfliktdiamanten" ist zwar nicht neu, seit Jahren taucht es in UN-Resolutionen, nationalen Gesetzen und auch in der Popkultur auf - beim fortschrittlichen Rapper Kanye West etwa oder im Bond-Film "Stirb an einem anderen Tag".

Es mussten aber doch die eingefleischten Liberalen Leonardo DiCaprio und Edward Zwick (Regie) kommen, um die Diamantenindustrie aufzuschrecken. De Beers antwortete auf "Blood Diamond" mit einer millionenschweren Imagekampagne und der gebetsmühlenhaften Zusicherung, dass heutzutage kein Konfliktdiamant mehr seinen Weg zum Kunden finden könne.

Das kann man glauben oder nicht - das Verdienst, diese Zusammenhänge erneut ins Bewusstsein gerufen zu haben, ist dem Film schon einmal nicht zu nehmen. Diese Vorgeschichte ist aber auch eine Hypothek. Denn jetzt erwartet man natürlich ein besonders korrektes Werk, das sich streng an die Fakten hält, quasi selbstlos in die komplexe afrikanische Materie eintaucht, ohne sich auch nur einen Moment an exotischen Schauplätzen, schönen Protagonisten oder aufregender Gewaltdarstellung zu berauschen.

Dieser Film ist "Blood Diamond" nicht. Nicht einmal ansatzweise. Das hat ihm in den Augen der Kritik auch sehr geschadet. Doch nur altmodisches Hollywood, lautet meist das Fazit. Auf bestimmte Weise ist das auch wahr, aber vielleicht lohnt es sich gerade deshalb, dem Film eine Chance zu geben - denn es war ja weiß Gott nicht alles verkehrt, was Hollywood früher so gemacht hat.

Haben und Nichthaben

Danny Archer alias Leonardo DiCaprio, der Held der Geschichte, ist zum Beispiel eine klassische Howard-Hawks-Figur, wie sie früher gern von Humphrey Bogart verkörpert wurde: Ein Schmuggler und Söldner, der auf keiner Seite steht außer seiner eigenen, ein Zyniker, der mit der Pistole genauso schnell ist wie mit einem bösen Spruch, ein Mann, der seinen Kontinent vor die Hunde gehen sieht und doch nur nach dem eigenen Ticket aus dem Schlamassel sucht.

Werden wir am Ende eine Spur von Mitleid und Herz in dieser Figur entdecken? Läuft gar alles auf seine Läuterung hinaus? Wie DiCaprio dieser Figur eine Geschichte gibt, einen unerschrocken afrikanisch gefärbten Slang, eine glaubwürdige, kranke Lust an Gefahr und Krieg und Tod, das ist dann doch eine eigenständige, höchst moderne Leistung. Und der rosafarbene, taubeneigroße Rohdiamant, der irgendwo im Dschungel vergraben wurde und den er, wie so viele andere in diesem Film, nun unbedingt finden will - der ist im Grunde nur die äußerliche Motivation für diese Reise.

Oder Maddy Bowen (Jennifer Connelly), die amerikanische Kriegs- und Krisenreporterin, mit der er eine komplizierte Allianz eingeht, bei der man nie sicher sein kann, wer eigentlich wen ausbeutet - sie steht natürlich in der Tradition des Hawks-Girls, das immer alles zugleich ist: Abenteurerin mit zweifelhafter Vergangenheit, Karrierefrau mit Hang zum vollen Körpereinsatz, verkappte Romantikerin mit hohen Idealen und Pferdestehlerin mit einem Herz aus Gold.

Hollywood Pur

Sieht sie, in Elendsvierteln und Flüchtlingscamps, verblüffend glamourös und sexy aus? Gibt es eine sofortige Anziehung zwischen den beiden? Und werden sie sich verlieben? Fragen, die sich nahezu von selbst beantworten - aber auch hier bewahrt sich der Film eine gewisse Eigenständigkeit, indem die Romanze mehr Möglichkeit bleibt als Realität wird ...

Diese Brechungen sind es, mit denen "Blood Diamond" die Zuschauer immer wieder für sich gewinnt, die am Ende dafür sorgen, dass das Zentrum der Geschichte intakt bleibt. In diesem Zentrum steht Solomon Vandy (Djimon Hounsou), ein Fischer, der bei einem Überfall der Rebellen seine Familie verliert, als Arbeiter in die Diamantenfelder verschleppt wird, den Riesenklunker findet und wieder versteckt und, um sich und seine Familie damit zu retten, sich auf einen Deal mit Danny Archer einlässt.

Sein oberstes Ziel ist es, seinen Sohn zu befreien, der vom Warlord zu einem skrupellosen Kindersoldaten ausgebildet wird. Wie er das anstellt und wie er aus der Geschichte hervorgeht, das ist nun wirklich Hollywood pur, und Djimon Hounsou, der schon in Spielbergs "Amistad" dabei war und inzwischen einmal zu oft den noblen Afrikaner gespielt hat, scheint diese Rolle mehr zu ertragen als zu genießen.

Genau das macht ihn dann aber perfekt. Jedenfalls wird es am Ende wahrscheinlich sein gequältes und doch würdevolles Gesicht sein, an das wir uns erinnern werden, wenn wir das nächste Mal vor dem Schaufenster von Tiffany's haltmachen.

BLOOD DIAMOND, USA 2006 - Regie: Edward Zwick. Buch: Charles Leavitt. Kamera: Eduardo Serra. Schnitt: Steven Rosenblum. Musik: James Newton Howard. Mit: Leonardo DiCaprio, Jennifer Connelly, Djimon Hounsou, Michael Sheen, Arnold Vosloo. Warner, 138 Min.

© SZ vom 24.1.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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