Labelchef:Hausmusik lebt

Lesezeit: 3 min

Wolfgang Petters veröffentlicht Neues von Carlo Fashion

Von Dirk Wagner, München

Öffnete man das Klapp-Cover der Doppel-7-inch-Schallplatte "Flederhausmusik", schoss einem eine schwarze Fledermaus entgegen. Diese wurde von Menschen in Landsberg, die sich dem Hausmusik-Label zugehörig sahen, per Handarbeit ausgeschnitten und ins selbst gewalzte, gefaltete und mit einem Siebdruck verzierte Cover eingeklebt. Unter anderem das Tied & Tickled Trio, Bathtub On A Truck und A Million Mercies waren auf dem 1994 veröffentlichten zweiten Hausmusik-Sampler vertreten. Der erste Sampler hatte zwei Jahre zuvor schon der Landsberger Musikszene eine Identität gegeben, mit der die unter dem neuen Label Hausmusik vereinten und zum Teil erst aktivierten Musiker ziemlich schnell ein überregionales, wenn nicht sogar ein internationales Ansehen erlangten.

Als Geburtshelfer darf man dabei den "Zündfunk" ausloben, der als Radiosendung des Bayerischen Rundfunks nicht nur das erste Album des Labels vorstellte, sondern kurz darauf die Musiker des Samplers zu einem live im Radio übertragenen Konzert einlud. Dabei war Hausmusik nicht nur eine Vereinigung von Musikern, wie die selbstgemachten Cover mit den beigelegten Beiblättern und Comics andeuteten. Hausmusik-Festivals präsentierten sich auch gerne mal als Mischung aus Konzert, Lesung und Ausstellung. "Irgendwann zogen immer mehr Protagonisten von Hausmusik in die Großstädte. Nach Berlin, Hamburg oder eben München", sagt Wolfgang Petters, der Gründer und Betreiber des Labels, der schließlich auch nach München wechselte.

Das Label veröffentlichte auch internationale Musiker wie Cakekitchen aus Neuseeland. Oder das erste Album zweier US-amerikanischer Musiker, die damals in der Band Giant Sand mitspielten. Spoke hieß deren Seitenprojekt. Als Petters mit den frisch gepressten Schallplatten von Spoke nach Salzburg fuhr, um sie der Band zum Verkauf auf deren Tournee mitzugeben, sagten die Musiker ihm, dass sie den Bandnamen ändern müssten, weil es schon eine Gruppe namens Spoke gebe. Stattdessen hießen sie jetzt Calexico, was dem Cover der tausend gelieferten Debüt-LPs leider nicht zu entnehmen war. Solche Tiefschläge hat das Label jedoch ganz gut verkraftet. Nachdem Hausmusik 1998 aber auch als Vertrieb tätig wurde, um für viele kleine Labels den weggebrochenen Vertrieb EFA zu ersetzen, setzte das Format MP3 den Visionen von Petters ein Ende. Ausgerechnet das Medium nämlich, das später die Vinyl-Schallplatte als verkaufsfördernde Verpackung eines Download-Links wieder in die Kaufhäuser tragen würde, wo sie einst von der CD vertrieben wurde, sorgte wegen der Downloads und Streams im Internet für Verkaufseinbußen auf dem Tonträger-Markt. Für Hausmusik bedeutete das, dass bereits als verkauft verbuchte Schallplatten zurückgeschickt wurden. "Statt die neuen zu bezahlen, schickten Vertriebe und Geschäfte aus USA, Australien und Europa einfach die nicht verkauften alten Platten wieder zurück", sagt Petters, der sein Label 2007 hochverschuldet dicht machen musste. Mehr als 100 000 Euro, die ihm Firmen schuldeten, sah er dabei nie wieder. "Klag mal wegen 8000 Euro in Australien, ein paar tausend Euro in USA, und so weiter. Die zahlten einfach nicht. Vielleicht, weil sie dachten, uns gibt es eh schon nicht mehr. Vielleicht, weil sie selbst insolvent waren", sagt Petters.

Das Label Hausmusik betreibt er aber immer noch in kleinem Rahmen - und mit kleinen Auflagen. 100 CDs von einem Album zu pressen, ist möglich, seit die Presswerke ihre Konditionen einem zusammengeschrumpften Markt angepasst haben. "Früher musstest du mindestens 500 Exemplare bestellen. Wenn du dann nur 100 Alben verkaufen konntest, hattest du schnell ein Problem", sagt Petters. Im Februar sollen die "Elektrischen Geschichten" der Band A Million Mercies auf LP und CD erscheinen, gefolgt von der neuen Platte von Broken Radio. Seit kurzem vertreibt Petters auf www.hausmusik.com etwa 100 Exemplare des neuen Albums von Carlo Fashion: "Rebirth And Delusion".

Einmal mehr gelingt dem Schlagzeuger der Band FSK darauf zusammen mit anderen Musikern wie Salewski oder Micha Acher eine Musik, die sich in einem Popkontext ebenso entfaltet wie in einem lebendigen Jazzumfeld und einer entstaubten Klassik. Die wie einst auch Werke von Frank Zappa Grenzen schon deshalb nicht überschreitet, weil sie solche Grenzen gar nicht erst akzeptiert. Grenzenlos schön gerät ein Sound, den der Münchner Musiker Carl Oesterhelt, der sich hinter dem Namen Carlo Fashion verbirgt, in seinen analogen Einzelteilen mit einem tragbaren Aufnahmegerät aufnahm, um sie erst am Computer zusammenzustellen, zu komponieren also, und mit spannenden Elektronika anzureichern.

Und wieder darf man den Bayerischen Rundfunk als Geburtshelfer feiern. Karl Bruckmaier hatte Oesterhelts Ensemble für synkretische Musik zu einem Lounge-Konzert in die Sendung "Nachtmix" eingeladen. Das nahm Petters zum Anlass, das Album pressen zu lassen.

© SZ vom 13.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: