Kurzkritik:Traurig, aber schön

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Kristine Opolais singt die "Madama Butterfly"

Von Andreas Pernpeintner, München

Herrje, Puccinis "Madama Butterfly" ist das Traurigste, was man sich anschauen kann. Eine Oper über Liebe bis zur Selbstverleugnung, über feige Niedertracht. Vor allem aber ist es eine Oper über das Warten. Den gesamten zweiten Akt hindurch warten Cio-Cio-San, genannt Butterfly, ihre Zofe Suzuki und ihr Sohn auf den Ehemann und Kindsvater - den US-Navy-Offizier Pinkerton, der die Geisha Butterfly samt Haus gekauft, geheiratet, mit ihr ein Kind gezeugt und sie dann sitzengelassen hat. Sie aber liebt ihn. So verzehrt sie sich, von der Familie verstoßen, verzweifelt, standhaft, dem Irrsinn nahe. Am Ende kehrt Pinkerton tatsächlich zurück - mit neuer Frau und um Butterfly den Sohn zu nehmen. Aus Liebe zu diesem unfassbaren Deppen fügt sie sich. Aus Selbstachtung bringt sie sich um. Ein Psychogramm, das in Wolf Busses Inszenierung aus dem Japan-Bilderbuch große Wirkung entfaltet.

Weil an diesem Abend im Nationaltheater Madama Butterfly von Kristine Opolais verkörpert wird, ist das Erlebnis umwerfender intensiv und schön. Intensiv, weil Opolais mit enormer Schauspielkraft agiert; schön, weil sie mit bewegender Anmut singt. Das hebt Opolais aus dem Ensemble heraus - obwohl die Besetzung erstklassig ist: Okka von der Damerau strahlt als Suzuki stillen Halt aus. Auch das etwas Spröde, das Ulrich Reß der Rolle des fiesen Heiratsvermittlers Goro verleiht, ist stimmig, ebenso die dämonische Wucht von Goran Jurić als böser Onkel Bonzo, die selbstverliebte Erhabenheit des Fürsten Yamadori (Andrea Borghini) und die Kühle der Mrs. Pinkerton (Marzia Marzo). Komplexester männlicher Charakter ist der Konsul Sharpless. Er erkennt das Drama, hat aber zu wenig Mumm, um den Niedergang aufzuhalten. Markus Eiche spielt ihn als eleganten Herrn, stimmlich distinguiert. Sein Bariton mischt sich wunderbar mit dem Tenor Joseph Callejas als Pinkerton: Der ist zwar in den Spitzentönen etwas kehlig, hat aber ein dunkles Timbre in der volltönenden Stimme, das ihn, obwohl etwas tapsig, einen glaubhaften Charmeur spielen lässt.

Getragen werden die Sänger vom hochpräzisen Staatsorchester, das das kurze Vorspiel leicht zerbröselt, dann aber unter Leitung von Daniele Callegari Puccinis zauberhaft instrumentierte Farben liebevoll beleuchtet.

© SZ vom 16.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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