Kurzkritik:Tausend tolle Momente

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Freundlich und dabei sehr bestimmt: Mariam Batsashvili. (Foto: Axel Clemens)

Mariam Batsashvili eröffnet den Nymphenburger Sommer

Von Egbert Tholl, München

Liszt. Klar, wenn man gerade - im November 2014 in Utrecht - einen Liszt-Wettbewerb gewonnen hat, dann spielt man auch Liszt. Und wenn man dessen Musik so spielt wie Mariam Batsashvili, dann stellt sich auch etwas ganz Überraschendes ein, nämlich: Die eben mal 22-jährige Pianistin kann vier Stücke Liszts miteinander zu einem Konzert verbinden, die in sich schon wenig stringent sind, miteinander sich aber zu einem völlig wirren Kosmos vereinen, in welchem es aber ein herausragendes, sinnstiftendes Merkmal gibt - den Moment.

Am allerschönsten gelingt dies in der Phantasie über "Figaro" und "Don Giovanni". Hier spielt Batsashvili so, als improvisiere sie tatsächlich über Mozarts Themen, als entstünde die Musik im Moment ihres Erklingens, als Erfindung des Augenblicks. Das ist fabelhaft und macht gewaltig Freude, hier in diesem Zusammenhang auch Vorfreude auf das Kommende: Batsashvilis Konzert eröffnet den Nymphenburger Sommer, die nun seit bereits zwölf Jahren etablierte Konzertreihe im Hubertussaal in eben Schloss Nymphenburg, die noch bis Anfang August läuft.

Zuerst spielt sie ein Soloklavierkonzert von Bach, J. S., und vom ersten Ton an verblüfft ihr Anschlag. Plump gesagt: Dieser ist sehr männlich, hart, fast sogar - später dann, bei Liszt - brutal. Aber nie breit, immer völlig klar bemessen, stählern, unmissverständlich. Und dann schlägt das Harte um ins Zarte, entwickelt sie umstandlos eine dunkle Poesie, ganz selbstverständlich und immer noch äußerst akkurat. Selbst dem Adagio gibt sie noch Puls mit, Zauber hat bei ihr stets Konsistenz, und dementsprechend das Virtuose immer Seele. Bevor Batsashvili bei aller rasanten Könnerschaft auf reine Perfektion setzt, rückt sie lieber einen Ton aus dem Zusammenhang, saugt mit einer munteren und genau gesetzten Bedienung des Pedals immer wieder den Nachhall aus dem Klang. Ihr Spiel ist von objektiver Klugheit.

Ha!, denkt man sich, von der will man Liszt hören, und eben was dann kommt, besticht mit einer Grandezza, die immer erfüllt ist von der Großartigkeit des Augenblicks, der aller Momente, die stets für sich eine kristalline Wahrheit behaupten. Dann poltert sie im Galopp eine Geröllhalde hinab, und man staunt.

© SZ vom 09.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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