Kurzkritik:Süffig und spannend

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Olga Scheps beim "Radeberger Open Air" im Brunnenhof

Von Andreas Pernpeintner, München

Die Konzerte im Brunnenhof der Residenz heißen jetzt "Radeberger Open Air". Das ruft musikalische Assoziationen hervor, denn Radeberger ist ja dieses Bier, das in der Werbung aus der Dresdner Semperoper heraussprudelt. Nun präsentiert Radeberger also in München "Jazz, Classics & Crossover". Der Biermösl Blosn wären dazu sicherlich hübsche Verse eingefallen. Zu solch köstlichem Kultursponsoring, vielleicht auch zum Radeberger an sich. Aber die Biermösln gibt's nicht mehr, und das 0,33er Radeberger schmeckt in der Pause recht gut.

An diesem kühlen Abend ist die Pianistin Olga Scheps gekommen und gibt eine Rachmaninow-Chopin-Nacht, zu der auch Prokofjew eingeladen ist. Es ist schon eindrucksvoll, dass in diesem an allen Seiten umbauten Hof trotz seiner Größe ein Konzert ohne elektrische Verstärkung möglich ist - auch wenn der Klang natürlich etwas flüchtig ist. Schön ist trotzdem, dass Olga Scheps kaum interpretatorische Freiluft-Konzessionen macht: Zauberhaft leise schwebt nach der stringent gespielten g-Moll-Ballade in Chopins h-Moll-Sonate op. 58 (im Programmheft wird sie mit einer Werkbeschreibung der b-Moll-Sonate verquirlt) manches Pianissimo heran. Im dritten Satz traut Scheps sich, das Leise wirklich gläsern zu spielen.

Die stillen Momente dieses Werks kommen dadurch gut zur Geltung. Und auch für das kraftvoll Bewegte findet Scheps den richtigen Ton: Es ist bei ihr nicht artifizielle Tastenartistik, sondern fließt süffig und wird spannend erzählt. Olga Scheps stellt die substanzielle Aussage über die Virtuosität - was nicht heißt, dass an ihrer Technik etwas zu bemängeln wäre. Ihr Spiel aber ist durch diese Fokussierung stets geerdet; in ihrem Gesicht lassen sich neben der musikalischen Empfindung auch Konzentration und technische Herausforderung ablesen (wenn nicht gerade ein Fotograf mit entrückter Mimik belohnt wird). Das ist ehrlich musiziert.

Ebenso plastisch gelingen nach der Pause Rachmaninows Variationen über ein Thema von Corelli op. 42 und Prokofjews B-Dur-Sonate op. 83. Trotz kleiner Irritation zwischendurch bei Rachmaninow setzt Scheps die atmosphärische Vielfalt, die rhythmische Prägnanz und die subtile Melodik der beiden Werke schön in Szene.

© SZ vom 11.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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