Kurzkritik:Rosenkavalier

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Pavol Bresliks Liederabend im Prinzregententheater

Von Klaus Kalchschmid, München

Goethes Ballade vom "Erlkönig" in der Vertonung von Franz Schubert kann man mit verschiedenen Stimmen dramatisieren. Pavol Breslik war nach acht meist sehr verhaltenen und leisen Schubert-Liedern wie "Im Abendrot", "Nacht und Träume" und "Nachtviolen" im Prinzregententheater ungleich raffinierter: mit gruseligem Effekt! Denn nur für die von Schubert tiefer gelegte Stimme des Vaters dunkelt Breslik seinen so fein und charakteristisch timbrierten Tenor ein. Die höhere Tessitura des verängstigten Jungen, der anfangs hörbar fasziniert ist, aber ähnelt dem abgründigen, unsichtbaren Verführer, den Breslik absolut wortverständlich und so erotisiert singt, dass man erschauert. Wie schnell das Ganze dann in tödliche Gewalt umschlägt, bekommt bei ihm und seinem elektrisierend die Oktaven hämmernden Pianisten Amir Katz einen derartigen Thrill, dass nach dem gehauchten ". . . das Kind war - tot" ein befreiter Beifallsorkan aufbrandet.

Die zweite Hälfte war russischen Romanzen gewidmet, gruppiert um fünf Strauss-Lieder. Bei Tschaikowsky wie Rachmaninow verschmolz das Timbre des Slowaken aufs Schönste mit der Leidenschaft von Musik und Text. Der charismatische (Opern-)Sänger war bei diesen im Original gesungenen Miniatur-Szenen in seinem Element und wechselte oft binnen Sekunden von einer sanft schwebende Melodie in leuchtendes Forte wie beim sehnsuchtsvoll glückseligen "Wesna idjot - der Frühling kommt!", mit dem das offizielle Programm zu Ende ging. Auch für Strauss war der zarte und doch männliche Schmelz Bresliks ideal: ob in der Ekstase von "Heimlicher Aufforderung" und "Zueignung", verinnerlicht bei "Traum durch die Dämmerung" und "Morgen", oder für die subtile Sommernachtstraum-Erotik des "Ständchens".

Nach einer Dvořák-Zugabe und "Ich trage meine Minne" von Strauss folgte Robert Schumanns "Widmung" - charmant hinter Amir Katz stehend, der wieder mit vielen Nuancen des Klangs artikulierte, und, die Noten mitlesend, nach der jungenhaft ehrlichen Ankündigung, "damit ich nicht wieder den Text vergesse". Sprach's, sang's und verteilte anschließend die Rosen seines Straußes einzeln an die erste Reihe.

© SZ vom 02.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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