Kurzkritik:Recht komisch

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Verdis selten gespielte Oper "Stifelio" von der Opera Incognita

Von Egbert Tholl, München

Verdi macht Spaß. Das verblüfft erst einmal, weil man dessen Opernschaffen nicht unbedingt mit lustigen Erlebnissen verbindet, es sei denn, man kann dem "Falstaff" ein Grinsen abgewinnen. Doch ausgerechnet eine Oper Verdis, die nun zum ersten Mal in München zu erleben ist, birgt sehr viel komisches Potenzial, man muss es nur herauskitzeln.

"Stifelio", 1850 uraufgeführt und in der Folge auf Drängen der Zensur teils vom Komponisten selbst bis annähernd zur Unkenntlichkeit überarbeitet, ist hier also weitgehend unbekannt, und doch sangen die Titelpartie einst Carreras in London und Domingo in New York, aber das ist auch schon eine Zeit her. Nun nahm sich Andreas Wiedermann des Stoffes an, und wie oft bei ihm und seiner Truppe Opera Incognita begibt man sich an einen Ort, an dem man nicht unbedingt eine Oper erwarten würde, in dem Fall das Arri-Studio in der Türkenstraße. Normalerweise werden dort Kabarett-Sendungen fürs Fernsehen produziert, Pelzig oder "Die Anstalt", und einiges von diesem Geist nimmt Wiedermann in seine Inszenierung auf.

Bei Verdi ist Stifelio ein protestantischer Prediger, dessen öffentliches Eintreten für Moral von einer Affäre seiner Gattin Lina torpediert wird. Diese Affäre darf nicht sein, sie beschädigte den Ruf des quasi heiligen Mannes, also sorgen Linas Papa Stankar und auch Stifelios Adlatus Jorg für eine Lösung, bringen den Lover Raffaele um, und Stifelio predigt öffentlich Vergebung. Bei Wiedermann ist Stifelio der Anführer einer Sekte, dessen öffentliches Eintreten . . . siehe oben. Wiedermanns Clou ist eine metabolische Werktreue. Mit sicherem Instinkt verlegt er die ganze Chose in eine Talkshow, welche das Ambiente geradezu herausfordert, macht aus der Figur der Dorothea, eigentlich eine Cousine Linas, eine quirlige und beflissene Moderatorin (Elisabeth Margraf), aus Raffaele einen gut geölten Journalisten (Serban Constantin Cristache) und lässt die drei Sektenhanseln ihr Anliegen öffentlich vortragen.

Erst einmal wird das Publikum trainiert, dann fängt die Studio-Band - Streichquintett plus fünf Bläser - unter der Leitung von Ernst Bartmann hinreißend lyrisch, lustig und frisch zu spielen an, die Talkshow beginnt - und ist gleich wieder aus. Nicht alles kann Wiedermann im von ihm selbst gewählten Setting erzählen; entscheidend aber ist, dass dessen Unernst haften bleibt und selbstvergessene, sich selbst geißelnde Jünger, der Zynismus der Medien, Religionswahn und Bigotterie zu einer fast schon trashigen Satire zusammenfließen, die vom munteren Spiel der fast durchgehend fabelhaften Sänger in der staubtrockenen Studioakustik glänzend belebt wird - noch am 25., 26., 28. und 29. August.

© SZ vom 24.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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