Kurzkritik:Radau und Ruhe

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Marek Fis hat Erfolg mit Polen-Witzen

Von Thomas Becker, München

In Rantum wäre man gern dabei gewesen. Kürzlich spielte Marek Fis "zum ersten und einzigen Mal auf Sylt", wie er auf Facebook schreibt, "ich hab Sonderaufenthaltsgenehmigung für einen Tag bekommen! Jogginghose extra gebügelt. Muss nur noch ,Sansibar' Sticker draufkleben. Hummer statt Fischstäbchen und Champagner statt Selbstgebrannten! Vielleicht schmeißen die Leute mir ja ein paar Euro hin, wenn sie mich am Strand sehen." Eine besorgte FB-Freundin meinte: "Ob die Snobs deinen Humor überhaupt verstehen?" Berechtigte Frage. Der Comedian aus Slupsk in Pommern, der sich auch für Weihnachtsfeiern und Firmenveranstaltungen anbietet, ist ein Mann fürs Grobe, eher Säbel als Florett. Aber ein paar herz- und auch schmerzhafte Treffer landet er bei seinen Beobachtungen zum deutsch-polnischen Verhältnis durchaus.

"Baustelle Europa - ein Pole packt ein/aus" heißt sein zweites Soloprogramm, das jeden der 350 Plätze im Wirtshaus im Schlachthof füllt. Gewaltige Vorfreude auf den 31-Jährigen, der eigentlich Wojciech Oleszczak heißt und in Berlin und Krakau lebt. Seit Harald Schmidts Abschied traut sich ja keiner mehr Polen-Witze. Marek Fis schon. Er spielt mit den gängigen Klischees ("Wir wollten wirklich bezahlen!"), lässt keinen Sauf-Witz aus ("Bei uns gibt's nie Fondue - mein Vater trinkt immer den Brennspiritus wegt") ebenso wenig wie den unvermeidlichen Lukas-Podolski-Scherz. Seine Opfer sind die üblichen Verdächtigen: 1860, Schalke 04, Bohlen, Calmund, Katzenberger, Lanz, Lodda, Radiomoderatoren, Ossis et al. und im Besondern das RTL-Unterschichten-Fernsehen. Späße darüber sind mäßig originell, aber dank seiner Polen-Brille auch wieder lustig. Überhaupt entlarvt seine Außensicht so manche deutsche Skurrilität. Fis kann nämlich nicht nur Flachwitze und eher anstrengende Mitklatsch-Polkas. Mit einer Pointe zum Fall Edathy gelingt ihm gar ein Schlenker ins Politisch-Moralische. Mit der Zugabe verlässt er endgültig die Radau-Bühne: Minutenlang erzählt er vom verstorbenen Großvater, unterbezahlten Altenpflegern und dem dringend nötigen Engagement für Flüchtlinge. Während man sich fragt, wie er da noch einen Gag daraus macht, ist das Programm auch schon zu Ende.

© SZ vom 05.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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