Kurzkritik Pop:Völlig losgelöst

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Die "Ephemerals" sind mehr als nur eine Soul-Band

Von Sophie Garbe, München

Es ist ein spezielles Publikum, das sich an diesem Abend zum Konzert der Ephemerals im Ampere zusammenfindet. Da treffen Anzugmann und Dreadlock-Träger, hippe Studentin und Mittfünfzigerin aufeinander. Auch bei den Musikern ist es ein ähnliches Bild. Der eine mit Glitzer im Gesicht, der andere mit Hemd und Weste oder barfuß im Poncho. Es sind reine Äußerlichkeiten, und dennoch scheinen sie symptomatisch für das Konzert. Denn so vielfältig wie die Menge ist auch die Musik der siebenköpfigen Band aus London.

Ephemerals lässt sich mit "kurzlebig" übersetzen, und was den Arbeitsprozess der Band betrifft, ist der Name Programm. Ihre drei Alben haben sie im Studio eingespielt, ohne Proben und innerhalb weniger Tage. Das Ergebnis dieser Spontan-Sessions ist Soul mit rauem Charme und psychedelischen Einschlägen, der neben Daptone-Stars wie Charles Bradley durchaus bestehen kann. Live geht dieser Sound mit voller Kraft in Herz und Beine. "Serenade these people", fordert Sänger Wolfgang Valbrun den Pianisten James Graham auf. Und genau das tun die Ephemerals dann für kurzweilige anderthalb Stunden.

Zentrum des Auftritts ist Valbrun. Bei "God's gonna make you laugh" röhrt er mit geschlossenen Augen ins Mikro, im nächsten Moment tanzt er über die Bühne oder singt in "Loving Guaranteed" mit weicher Stimme von großen Gefühlen. Ebenso virtuos geben sich aber auch seine Kollegen. Graham hämmert auf das Klavier ein, und Damian McLean spielt Trompete, bis sein Kopf so rot ist wie der Poncho von Bandgründer Hillman Mondegreen, der seiner Gitarre wiederum mühelos sphärische Klänge entlockt. Mal zeichnet die Band dann mit herzerweichenden Balladen und Jazz-Nuancen innige Verzweiflung nach, dann laden wieder funkige Tanznummern zum unkontrollierten Gliederschütteln ein. All das mag auch der Grund für das gemischte Publikum an diesem Abend sein. Musik und Energie der Ephemerals lassen keinen Platz für Verklemmtheit. Und entsprechend tanzt irgendwann der Mann in Weste und Jackett neben dem Typen mit den Dreadlocks.

© SZ vom 26.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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