Kurzkritik Oper:Beiläufig befreit

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Die "Opera Incognita" verbindet in Dorfen Puccini und Menotti

Von Florian Zinnecker, Dorfen

Kurz vor Beginn noch mal ein Blick auf die Eintrittskarten, sicherheitshalber: Ist das hier? Nicht viel lässt im Saal des Jakobmayer in Dorfen darauf schließen, dass gleich zwei Einakter von Puccini und Menotti aufgeführt werden. Nicht etwa, weil Oper ohne Samtvorhang und heiligem Ernst nicht denkbar wäre, sondern schlicht: Weil kein Orchester da ist, keine Bühne, und ehrlicherweise, weil das Publikum so unergraut dasitzt, darunter auch Teenager und Familien mit Kindern.

Dann geht's los. Tatsächlich: Menotti und Puccini, "Das Telefon" und "Gianni Schicci", mit einer herrlich an den Haaren herbeigezogenen Rahmenhandlung zusammengeklebt. Gespielt wird auf einer Fläche zwischen zwei Tribünen, direkt vor der Nase der Zuschauer, die Musik kommt aus dem Flügel, an dem Ernst Bartmann, der musikalische Kopf von "Opera incognita", sitzt und spielt und dirigiert. Der andere, Andreas Wiedermann, kümmert sich um die Inszenierung, die virtuos und kurzweilig gelingt, mit Mut zum Klamauk, aber das macht nichts, denn so sind sie, die Stücke. "Das Telefon" ist eine tragische Komödie, die vom Smartphone-Zeitalter handelt, obwohl sie aus den Fünfzigerjahren stammt: Ein Pärchen findet nicht zueinander, weil sie dauernd am Telefon hängt, er muss sie dann anrufen für die Frage, ob sie ihn heiraten wolle. Und dann "Gianni Schicci", die Komödie um den toten Patriarchen, der sein Vermögen dem Kloster vermacht, und das stadtbekannte Schlitzohr Gianni Schicci, der das abwenden soll.

Bartmann und Wiedermann suchen sich für ihre Produktionen stets ein Ensemble aus Nachwuchssängern, die noch unverbraucht sind, vereinzelt auch noch nicht ganz aufgeblüht, aber Frauke Mayer (La Ciesca), Helena Goldt (Lauretta), Samantha Britt (Lucy) und vor allem Mantas Gacevicius (Ben) werden wohl nicht mehr lang in so kleinen Formaten bleiben. Das alles könnte fürchterlich schiefgehen: große Oper mit den szenischen Möglichkeiten einer Probebühne und den orchestralen Mitteln einer Klavierhauptprobe. Aber im Gegenteil: Oper, völlig befreit von aller Opernhaftigkeit, ganz nah, beiläufig, ohne Aura und Gedöns. Es muss teuflisch schwer sein, das alles so leicht wirken zu lassen. Aber man merkt's nicht. Wie schön ist das eigentlich?

© SZ vom 03.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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