Kurzkritik:Mann, Frau, wer, wie, was?

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Dominik Wilgenbus inszeniert Mozarts "La finta semplice"

Von Klaus Kalchschmid, München

Männliche Travestie macht immer theatralischen Effekt, so auch in der frechen, überbordend gereimten deutschen Bearbeitung von Mozarts "La finta semplice" durch den auch Regie führenden Dominik Wilgenbus für die Kammeroper im Hubertussaal von Schloss Nymphenburg. Hier mimen und singen fesche bärtige junge Burschen zwei angejahrte Tanten, die eine Pension führen. Der in jeder Hinsicht kraftstrotzende Bassbariton Carl Rumstadt führt im kleinen Grauen mit Hüftpolstern als bärbeißige Alte namens Tante Cassandra ein strenges Regiment voller Männerhass. Diese kujoniert die mannstolle Schwester namens Tante Polidora, mit kernigem Tenor verkörpert vom hochgewachsenen Schlaks Julian Freibott, derart, dass diese/r schließlich verzweifelt und rasend komisch die Flucht nach vorn antritt.

Wer dann wen warum wie rumkriegen will, ihm seine Liebe gesteht, heiraten oder auch nicht heiraten mag, das ist schon bei Mozart kompliziert. Bei Wilgenbus verwickeln sich die Intrigenfäden unentwirrbar, denn er macht zu allem Überfluss aus der weiblichen Hauptfigur eine mann/weibliche Doppelrolle, tritt Rosina (mit leuchtendem Sopran: Eva-Maria Schmid) doch auch als Don Gisberto auf und mischt so das erotische Durcheinander gehörig auf. Am derbsten gestaltet sich die Beziehung von Kammerkätzchen Ninetta (ein Ausbund an körperlicher und stimmlicher Beweglichkeit: Leonor Amaral) und Simone (profunder Bassbariton-Buffo: Clemens Joswig), der auch das Pferd Fracassos (ebenfalls mit einem schönen Tenor gesegnet: Dino Lüthy) spielt. Dieser wiederum belagert die Pension der Schwestern, weil er Giacinta (ein Energiebündel mit wunderbar girrendem Mezzosopran: Susan Zarrabi) endlich von seiner Zuneigung überzeugen will.

Wilgenbus gelingt im ersten Teil, der mit einer äußerst witzigen Prügelei endet, das perfekte Komödien-Timing in einem raffinierten Bühnenbild (Peter Engel) aus Ikeakisten, mit denen man virtuos spielen kann. Alexander Krampes klangvolles Arrangement für neun Musiker plus Gitarre (Takeo Sato), die farbig die Seccorezitative begleitet, wird vom Orchester der Kammeroper München unter Nabil Shehata enorm präzise und mit feiner Verve musiziert.

© SZ vom 29.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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