Kurzkritik:Lebenspoet

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Passenger und der Genuss des Augenblicks auf Tollwood

Von Valentina Finger, München

Das einzige, das Mike Rosenberg von den rund 5200 Besuchern im ausverkauften Tollwood-Musikzelt unterscheidet, ist, dass er an diesem Abend unter seinem Künstlernamen Passenger auftritt. Und dass er das, was alle fühlen, mit einfachen Worten in Songs verpackt, die alle berühren. Wer hätte gedacht, dass der junge Brite das, was er mit seiner Nummer-Eins-Single "Let Her Go" geschafft hat, in jedem der Titel, die am letzten Festivaltag zu hören waren, weiterführt? Seine Folk-Rock-Balladen leben von Texten überss Leben und Lieben, dazu nur Passenger und seine Gitarre und ein Publikum, das ihn vom ersten Ton an vergöttert.

Passenger ist ein Lebenspoet. Melancholisches gehört zu seinem Stil, und wenn er zur Einstimmung auf "Travelling Alone" von den Schicksalen berichtet, die ihn zu diesem Song inspirierten, darf man schon die eine oder andere Träne verdrücken. Obwohl sich Traurigkeit wohl nie angenehmer angefühlt hat, geht die Freude nie verloren. "Life's For The Living" ist eine Hymne an das Dasein, die das gesamte Zelt in ein selig wiegendes Miteinander verwandelt. In "I Hate" geht es um all die Dinge, die irgendwie jeden stören, in "27" um die Ängste und Unsicherheiten eines Lebensabschnitts, den augenscheinlich viele Zuschauer im Zelt gerade mit ihm erleben.

Als schließlich sein großer Charterfolg "Let Her Go" erklingt, klopft ein junger Mann seinem Kumpel auf die Schulter und lächelt, als wolle er sagen: Hör auf den Mann, der weiß, wovon er singt. Für "Scare Away The Dark", einen Song über die Negativseiten des digitalen Lifestyle, bittet er seine Fans, die Smartphones herunterzunehmen. Was dann passiert, sieht man sonst nicht mehr so oft: Ein paar Sekunden lang wird etwas hilflos herumgestanden. Doch bald wandern die Arme ganz ohne Handykameras nach oben und schwenken im Takt hin und her. Und Passengers Musik wird zum Soundtrack einer Zeit, in der man den Moment noch genoss statt ihn nur festzuhalten.

© SZ vom 22.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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