Kurzkritik:Krachende Fuge

Yuja Wang und die Münchner Philharmoniker im Gasteig

Von Rita Argauer, München

Als Yuja Wang die Zugabe beginnt, geht ein Lachen durch die Philharmonie. Man kann kaum glauben, dass die Pianistin diesen Gassenhauer auspackt: "A la Turca", den 3. Satz von Mozarts Klaviersonate Nr. 11. Doch dann beginnt Wang in der Wiederholung des ersten Themas, dieses gründlich und rasend zu zerlegen. Sie drischt im Bass ein anderes Thema dazwischen, lässt es kurz als Fuge aufblitzen, dann als jazzige Krach-Variante. Es ist exzentrisch, gleichwohl die Essenz ihres Stils, der Prokofjews 2. Klavierkonzert zuvor zusammen mit den Münchner Philharmonikern unter der Leitung von Michał Nesterowicz doch sehr spannend gemacht hat.

In Nesterowicz hatte die chinesische Musikerin einen tollen Partner. Beide haben ein Händchen dafür, die speziellen Farben einzelner musikalischer Teile zu erkennen und deren Stile grell, aber treffend zu gestalten. Besonders im dritten Satz, in dem schwere Trauermarsch-Rhythmik auf schier nicht endende Läufe trifft. Wang schießt diese Farben sprudelnd zwischen Nesterowicz' schweres Blech; der lässt die Streicher mit der Eleganz früher Hollywood-Filme perlend darauf antworten.

In Brahms' erster Symphonie erschafft Nesterowicz dann Passagen, die, einzeln genommen, überbordende Stimmungen transportieren. Zu Beginn etwa, wenn er die Streicher, durchtrennt von den Achtel-Schlägen der Pauke, auf einer Lautstärke stehen und schließlich die einzelnen Stimmgruppen flächig gegeneinander aufmarschieren lässt. Oder die Pizzicati-Wellen, die er im vierten Satz durch den Raum schweben lässt, als wären sie sediert. Doch ohne Wang als Eklektizismus-Komplizin verläuft sich Nesterowicz bei Brahms ein wenig.

© SZ vom 08.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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