Kurzkritik: Klassik:Ganz der Papa

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Werke von Richard Strauss beim Festival in Garmisch

Von Michael Stallknecht, Garmisch-Partenkirchen

Der Komponist Richard Strauss hat über sich gesagt, er könne notfalls auch eine Speisekarte vertonen. Er tat es denn auch umstandslos mit dem eigenen jungen Familienglück, als er 1903 die "Sinfonia Domestica" schrieb - Babygeschrei, zudringliche Tanten, schlagende Wohnzimmeruhren und eine beneidenswerte Liebesnacht mit der Gattin inklusive. Zum Richard-Strauss-Festival in Garmisch gehört das Werk natürlich wie der Schweinsbraten auf die Speisekarte, und entsprechend saftig, aber zugleich zart musiziert es hier die Staatskapelle Weimar. Dirigent Oleg Caetani verfügt über den souveränen Überblick in der Großform, nimmt sich Raum für die zarte Idylle, breitet die Liebesnacht in aller Seelenruhe aus und führt die Strausssche Familie schließlich mit sicherer Steigerung zur angemessenen Apotheose.

22 Jahre nach der "Domestica" war das Baby von damals schon groß, aber auf einer Reise nach Ägypten schwer erkrankt. Der Papa hielt auch dieses Ereignis in einem "Parergon zur Sinfonia domestica", einem "Nebenwerk" also, für die musikalische Nachwelt fest. Äußeren Anlass bot ein Auftrag des Pianisten Paul Wittgenstein, der im Ersten Weltkrieg seinen rechten Arm verloren hatte, weshalb er sich von einer ganzen Reihen prominenter Komponisten Werke für die linke Hand allein schreiben ließ. Mariam Batsashvili spielt den floralen schlingernden Klavierpart mit für die linke Hand auffällig schönem Anschlag und setzt gut strukturierte Schwerpunkte in die zerfließende Schwüle des Orchesterparts, der in der Garmischer Alpspitzhalle ägyptische Hitze verbreitet.

Dass Richard Strauss auch für gescheiterte Verlobungen die richtigen Töne fand, zeigen danach die "Ophelia"-Lieder, die hier in der Instrumentation Aribert Reimanns zu hören sind. Die Sopranistin Juliane Banse singt den Wahnsinn der von Hamlet verlassenen Ophelia mit kindlichem Staunen aus, während die zwölf Orchesterinstrumente Irrsinnsklänge beisteuern. Wenn Festivals neben dem Bekannten in exemplarischen Interpretationen auch das Unbekannte zur Diskussion stellen sollen, dann darf diese Menüfolge aus der Straussschen Speisekarte fraglos als gelungen gelten.

© SZ vom 29.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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