Kurzkritik:Klangmächtig

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Französische Orgelwerke in der Philharmonie

Von Rita Argauer, München

So leer ist die Philharmonie im Gasteig selten. Vereinzelt sitzen dort ein paar Menschen, man hat ganze Sitzreihen für sich allein. Doch an diesem Abend wird dort auch ein Nischenprogramm präsentiert, vergleichbar mit einem Underground-Pop-Konzert in Relation zu einer ausverkauften Tonhalle. Nur, dass die Underground-Musiker in diesem Fall eben trotzdem in einem großen Saal spielen. Doch das liegt schlicht daran, dass die eigentliche Protagonistin des Konzerts dort fest installiert ist: die Orgel im Gasteig, 1985 von der Bonner Firma Klais eingebaut, fast 6000 Pfeifen, 74 Register auf vier Manualen, zwei Spieltische.

Drei Organisten widmen sich dem französischen Orgelwerk der Romantik und der frühen Moderne. Und das ist sehr interessant, berührend, schräg und ziemlich ungewohnt. Schon Michael Schöch, der für den erkrankten Johannes Berger eingesprungen ist, lässt das Instrument dröhnen, heulen, singen und schmeicheln. In César Francks "Pièce héroïque" trifft Marsch auf Pathos, Lautstärke auf Heroismus, und schließlich der Zerfall in Krach und beinahe künstlich wirkenden Nachhall. Fast meditativ ist dagegen das leise flirrende "Prélude et fugue sur le nom d'Alain" von Maurice Duruflé, während die Klang-Experimente in Louis Victor Jules Viernes "Pièces de fantaisie" wie von einem vormodernen Synthesizer erklingen.

Anschließend dann Improvisationen nach Themenvorschlägen aus dem Publikum, Thierry Escaich zeigt hier eine eskapistische Freiheit und entspricht gleichzeitig dem etwas verrückten Organisten, der zu viel Zeit allein an diesem größenwahnsinnigen Instrument verbracht hat. Gesetzter hingegen ist Hansjörg Albrecht, der die Orgelfassung von Berlioz' "Symphonie fantastique" zur Münchner Erstaufführung bringt. Ein schwerer Rausch, dem Albrecht all die symphonische Raffinesse an einem einzigen Instrument abringen muss. Nach drei Stunden hinterlässt die klangliche Macht ein erschöpftes, aber beseelt-sediertes Publikum.

© SZ vom 07.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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