Kurzkritik:Grille in Strapsen

"Der goldene Drache" im Metropoltheater

Von Petra Hallmayer, München

In der Küche des Thai-China-Vietnam-Schnellrestaurants "Der goldene Drache" herrscht Hektik. Rhythmisch klappern die Angestellten mit Töpfen und Pfannen. Nur einer sitzt da und schreit. Er hat Zahnweh, doch als Illegaler kann er nicht zum Arzt gehen. Ein Mietshaus dient Roland Schimmelpfennig als Schauplatz für ein Szenenmosaik um Parallelwelten und die finsteren Seiten der Globalisierung. In raschem Wechsel rückt Jochen Schölch im Metropoltheater einen Opa, dessen Enkelin samt Freund, das Scheitern einer Ehe und die Dramen in der Küche in den Fokus. Dort wird dem wild zappelnden Chinesen (Barbara Krzoska) der Zahn mit einer Rohrzange gezogen. Mit furchtbaren Folgen.

Schölchs antillusionistische Inszenierung hat gemäß der Anweisung des Autors die Männerrollen mit Frauen und umgekehrt besetzt. Er kontrastiert die Immigranten-Tragödien mit Komik. Die Akademiestudenten spielen sie lustvoll aus, wenn etwa die Kellnerin hell die Bandwurmnamen der Gerichte säuselt. Eingewoben ins Stück ist die Fabel von der Ameise und der Grille. "Somewhere over The Rainbow" singt diese zu Beginn sehnsüchtig. Statt im Land ihrer Träume landet sie in der Zwangsprostitution, ausgebeutet von der Zuhälter-Ameise (Svetlana Bielievtsova). Wenn sich Sebastian Griegel als Grille mit Strapsen am Boden windet, gewinnt die Passionsgeschichte eine schmerzlich groteske Brutalität. Daneben wirken die Beziehungsdramen blass. Schimmelpfennigs Schnipsel-Technik erlaubt nur Figurenskizzen, und gegen Ende driftet der Text in Kitschnähe. Doch er bietet wunderbares Spielmaterial für die Studenten, und Schölch hat ihn liebevoll und gewitzt inszeniert.

© SZ vom 16.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: