Kurzkritik:Freundschaftsdienst

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Frank Turner lässt sein Publikum im Strom tanzen

Von Jürgen Moises, München

Als Kind hatte er keine Freunde und träumte davon, elektrische Gitarre in einer Band zu spielen. So erzählt es Frank Turner zumindest bei seinem ausverkauften Club-Konzert im Strom und stimmt dazu demonstrativ ein Riff der Thrash-Metal-Band Slayer an. Das mit der Band, das hat der englische Singer-Songwriter geschafft. Genauer gesagt ist seine vierköpfige Begleittruppe Sleeping Souls nach den Alternative-Rockern Kneejerk und der Hardcore-Truppe Million Dead inzwischen die dritte Band, mit der der 33-Jährige auf der Bühne steht.

Auch das mit den Freunden hat sich ein klein bisschen geändert. Denn davon hat Turner spätestens seit seinem Auftritt bei den Olympischen Sommerspielen 2012 in London weltweit heute Zigtausende oder Millionen. Die meisten davon sind, könnte man sagen, hart erarbeitet. Hat sich der Brite doch, bevor es auf die großen Bühnen ging, quasi durch jedes Wohnzimmer gespielt, war sich für keinen Auftrittsort zu schade. Genau dafür wird Frank Turner auch von seinen Fans geliebt, die ihn im Strom nicht nur wortwörtlich auf den Händen tragen, als er bei der letzten Zugabe "Four Simple Words" stagedivend in die Menge springt. Bereits beim allerersten Lied "Get Better" vom aktuellen Album "Positive Songs for Negative People" gehen die Hände sofort in die Höhe, wird der Text Zeile für Zeile mitgesungen. Und danach geht es eineinhalb Stunden lang so weiter. Die meist sehr eingängigen Folkrock-Songs mit ihren Singalong-Refrains, die ab und zu in Richtung Punk, Soul oder Country schlendern, bieten sich dafür auch perfekt an. Das gilt selbst für eine Anti-Religions-Hymne wie "Glory Hallelujah", in der Frank Turner "there is no god" predigt.

Die einzige Religion, die hier zählt, besteht aus vier einfachen Worten und heißt: "I want to dance". Und diese bringt ihr Hohepriester Frank Turner zusammen mit seinen gut gelaunten Sleeping Souls eineinhalb Stunden lang mit solch hohem missionarischem Eifer rüber, dass am Ende auch der allerletzte Tanzmuffel seine Zehen bewegt.

© SZ vom 08.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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