Kurzkritik:Besser böse

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Jessie J begeistert, wenn sie es richtig krachen lässt

Von Julian Ignatowitsch, München

Eigentlich will sie doch ganz zahm sein. Wenn Jessie J bei ihrem Auftritt im Kesselhaus am Ende nur noch in Unterwäsche tanzt und anschließend zur Zugabe mit einem krachenden "Bang Bang" zurückkommt, dann ist das - so verkauft sie es selbst - vor allem Show. Gute Show, ja! Jessie J mimt die harte Braut im Spotlight - mit lautstarker Band, stimmgewaltigen Backup-Sängerinnen und einer spektakulären Lichtshow. Wie heißt es im zugehörigen Song: "You need a bad girl to blow your mind". Das sitzt!

Zwischendurch ist sie dann aber gar nicht mehr böse, sondern einfach nur "Jessie", wie sie ihre überwiegend weiblichen Fans immerfort in Sprechchören bejubeln. Sie referiert über Träume und Erfolg: "Kämpft für eure Ziele, ihr könnt sein was ihr wollt, seid immer ehrlich und bleibt euch treu!" Für eine Britin klingt das sehr amerikanisch - und abgedroschen. Als wolle sie selbst mit gutem Beispiel vorangehen, wagt sie sich a capella an "I Have Nothing" von Whitney Houston heran, "mein großes Vorbild", sagt sie. Die Stimme dafür hat Jessie J auch zweifellos, aber trotzdem will die Rolle der eleganten Pop-Diva nicht so recht zu ihr passen. Auch wenn sie ihren Erfolgssong "Nobody's Perfect" ruhig, nur von Akustikgitarre begleitet, anstimmt, kommt kaum Gänsehaut auf. Warum also die Versuche? Jessie J ist mehr Röhre als Kerzenschein, mehr Dude als Lady.

Und entsprechend funktionieren die Lieder besonders gut, bei denen die Höhen krachen und die Bässe wummern; bei denen Jessie J ausladend post und provokant textet. Diese Mischung aus R&B, Electro und Pop hat sie derzeit sicher nicht exklusiv, in den Charts ist das sehr beliebt, deshalb steht sie dort auch regelmäßig oben, ist selbst sehr angesagt. Sie hat dabei durchaus ihren eigenen Stil, der ohne Gefühlskitsch gut (und viel besser) funktioniert. Also liebe Jessie, seien wir ehrlich, so wie du das von uns an diesem Abend immer wieder verlangst: Bang Bang steht dir einfach besser als Whitney!

© SZ vom 06.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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