Kunstwerk:Lob der Arbeitstiere

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Christoph Heilmann schenkt der Neuen Pinakothek einen Delacroix

Von Susanne Hermanski, München

Geduldig warten zwei Rösser, dass ihnen der Bauer nach langen Tages Arbeit ihr Geschirr abnehme. Der Schimmel schaut dabei in eigenartiger Wendung des Kopfes, mit gespenstisch leeren Augen, zurück über seine Schulter; der Rappe blickt nach vorn, in eine wenig liebliche Landschaft. Doch über den beiden Pferden ringt schon das helle Licht mit dem finsteren Grau des Himmels - und so ist auch dieses Gemälde ein Sinnbild für mancherlei, das man hineindeuten könnte. Christoph Heilmann, der selbst 32 Jahre lang bei den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen im Geschirr war, hat das Bild von Eugène Delacroix (1798 - 1863) aus seinem Privatbesitz der Neuen Pinakothek geschenkt. Als Schinderei, möchte man meinen, hat Heilmann die Zeit dort also nicht empfunden.

Von 1975 bis 2000 hat er das Referat für die Kunst der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts geleitet. Nach 1982 trug er als Konservator und Hausreferent die Verantwortung für die Neue Pinakothek. Als sein Nachfolger Herbert W. Rott und Generaldirektor Bernhard Maaz nun an diesem Mittwoch festlich guckend und weiß behandschuht seine Schenkung hereintragen und auf einer Staffelei abstellen, lächelt Heilmann dezent. "Schöner Rahmen", sagt er. Und auch wenn Bernhard Maaz den "allzu Bescheidenen" mehrfach animiert - mehr Worte mag Christoph Heilmann gar nicht machen vor der herbeigeeilten Schar aus Kunsthistorikern, ehemaligen Kollegen und Journalisten. Er teilt offenbar einfach gern. Schon 2003 hatte er nach seiner Pensionierung die Christoph Heilmann Stiftung gegründet, in die er die Gemälde seiner privaten Sammlung früher Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts einfließen ließ. 2013 gab er sie dann als Dauerleihgabe an die Städtische Galerie im Lenbachhaus.

Später, im kleinen Kreis, erzählt Heilmann, dass er das Bild, das auch zuvor immer in Privatbesitz gewesen war, auf einer Messe entdeckt hatte. Und er schildert, wie viel Freude es ihm zu Angestelltenzeiten bereitete, das zusammenzutragen, was in der Neuen Pinakothek noch fehlte. Da wurde nämlich "so manche Lücke" offenkundig, als der Neubau in den Achtzigerjahren fertig war. Aus kunsthistorischer Sicht sind auch die "Zwei Pferde vor einem Stall" ein Missing Link.

Denn von Eugène Delacroix, einem der bedeutendsten französischen Maler, hat die Neue Pinakothek bis dato vier Werke besessen. Drei davon spiegeln Delacroix' Interesse an literarischen Stoffen wider: "Der sterbende Valentin" entstand um 1826, während seiner intensiven Beschäftigung mit Goethes "Faust". Zu "Der Tod der Ophelia" inspirierte ihn Shakespeares "Hamlet". "Clorinde befreit Olindo und Sophronia" liegt eine Szene aus Tassos Epos "Das befreite Jerusalem" zugrunde. Bei dem vierten Delacroix-Bild handelt es sich um eine Kopie, die er von der Rubensschen "Eberjagd" angefertigt hat. Erst mit den "Zwei Pferden" wird nun eine andere Facette des Künstlers anschaulich, der als Vorreiter des Impressionismus gilt: die wirklichkeitsnahe, einfühlsame Darstellung einfacher Kreaturen in ihrer Umgebung.

So betont denn auch Herbert W. Rott, wie der damals noch junge Delacroix sein Bild mit impulsiven Pinselstrichen anlegte und er seine Meisterschaft in der Gestaltung des Motivs "nur aus der Farbe heraus" zeigt. Denn Delacroix malte Tiere, Stall und Landschaft direkt auf die Holzplatte, ohne viele, sonst übliche, komplizierte zeichnerische Vorarbeiten darunter. Was ein Infrarotbild des Gemäldes dennoch offenbart: Delacroix hat die Kopfhaltung des Schimmels nachträglich radikal verändert, um ihn in Richtung Betrachter blicken zu lassen. Und der kann ihm nun ins Auge sehen. Täglich außer dienstags in Saal 10.

© SZ vom 04.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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