Kunsthandel im Nationalsozialismus:Safe Nr. 5

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Klingt wie ein mittelmäßiger Thriller, ist aber wahr: NS-Kunsträuber benutzten einen Schweizer Banktresor als Geheimdepot - eines der Bilder wird nun versteigert.

Stefan Koldehoff

Die Meldungen, die Nachrichtenagenturen im Sommer 2007 verbreiteten, klangen zunächst unglaublich. Im Kellertresor der Zürcher Kantonalbank in der Bahnhofstraße 9 sei ein geheimes Bilderlager gefunden worden, in dem einer der führenden Kunstfunktionäre des nationalsozialistischen Regimes über Jahrzehnte wertvolle Kunstwerke ungeklärter Herkunft aufbewahrt habe.

Camille Pissarros (1830-1903) "Le Quai Malaquais" wurde restituiert und wird nun versteigert. (Foto: Foto: Katalog)

Mindestens eines dieser Bilder sei vor 1945 nachweislich einem jüdischen Sammler gestohlen worden. Zu den übrigen Werken trage die Staatsanwaltschaft nun Unterlagen zusammen, um mehr über die Herkunft zu erfahren. Aus dem Banktresor heraus sei in der Nachkriegszeit offenbar immer wieder auch verkauft worden. Über die Schweiz habe ein langjähriger Kunstfunktionär der Nationalsozialisten auch nach dem Untergang des Dritten Reichs weiterhin einen schwunghaften Handel mit Kunstwerken betrieben.

Was zunächst wie die Vorlage für einen mittelmäßigen Thriller klang, erwies sich schnell als zutreffend. Als Ermittler den Safe Nr. 5 im zweiten Untergeschoss der Kantonalbank öffneten, fand der Zürcher Staatsanwalt Ivo Hoppler neben zahlreichen Dokumenten auch fünf wertvolle Gemälde impressionistischer Meister.

Offiziell gab seine Behörde deren Titel wegen noch laufender Verfahren nicht bekannt. Bald schon sickerte aber durch, dass es sich unter anderem um Bilder von Camille Pissarro, Pierre-Auguste Renoir und Claude Monet handelte. Gemietet hatte den schrankgroßen Tresor die stiftungsähnliche "Schönart Anstalt" mit Sitz in der liechtensteinischen Hauptstadt Vaduz. Hinter der anonymen Gesellschaft mit dem wohlklingenden Namen steckte einer der aktivsten Kunsträuber der NS-Zeit - der inzwischen verstorbene Kunsthistoriker und Kunsthändler Bruno Lohse, einer der Chefeinkäufer von Hermann Göring.

Das Pissarro-Gemälde "Le Quai Malaquais, Printemps" (1903) hatte dem Verleger Samuel Fischer und seine Frau Hedwig gehört, die in der Vorkriegszeit eine umfangreiche Kunstsammlung mit Werken von Paul Gauguin, Vincent van Gogh und Camille Pissarro besaßen. Als die Familie vor den Nationalsozialisten fliehen musste, tarnte der Verleger den Weg ins Exil als Fahrt in die Sommerferien. Vorher gelang es ihm, aus der Villa in der Erdenerstraße 8 in Berlin-Grunewald mehrere Kunstwerke ins Ausland zu schaffen. Der "Quai Malaquais" hing im Wiener Haus der Familie im Esszimmer. Unmittelbar vor dem "Anschluss" Österreichs ans Deutsche Reich flohen die Fischers in der Nacht vom 11. auf den 12.März 1938 erneut, zuerst nach Prag, dann weiter über Italien, die Schweiz, Schweden und die Sowjetunion in die USA.

Der gesamte Hausrat musste dieses Mal zurückbleiben. Die Gestapo beschlagnahmte mit der Wohnung der Familie Fischer in der Wattmanngasse 11 im XIII. Wiener Bezirk auch ihre Kunstsammlung, darunter das Pissarro-Gemälde, dessen Weg sich anschließend verlor. Wie es in den Besitz von Bruno Lohse gelangte, ist nach wie vor nicht geklärt.

Erst nach der Entdeckung seines Bilderlagers im Tresor in Zürich, nach Ermittlungen und Verhandlungen erhielt die Enkelin von Samuel Fischer das Gemälde nun kürzlich zurück. Jetzt wird das Bild, das neben Kunst- auch Zeitgeschichte erzählt, am 18. Juni bei Christie's in London versteigert. Der Schätzpreis liegt bei äußerst moderaten 1,5 Millionen Pfund.

© SZ vom 03.06.2009/bey - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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