Kunst: Goldrausch im Rheinland:Gier des Habenwollens

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Der Künstler Michael Sailstorfer hat bei Pulheim 28 Goldbarren im Wert von 10.000 Euro vergraben. Jetzt rücken die Goldsucher an, mit Schaufeln und Metalldetektoren.

Holger Liebs

Was wäre die Kunst, wäre sie nicht, ihrem Wesen nach, Verschwendung: Kein Sonnenkönig ohne goldene Pracht, in der sich der Glanz des absolutistischen Herrschers spiegelte. Bevor der Plebs das Revoltieren lernte, drückte er sich staunend die Nasen an den Auslagen der Macht platt. Noch der Kunstsammler unserer Tage darf erst Hof halten und Kate Moss einladen, wenn er seine Millionen auf dem Markt losgeworden ist. Wofür Künstler meist nur Spott übrig haben: Kürzlich bot der Schweizer Christoph Büchel auf der Frieze Art Fair in London seine getragenen Socken zum Verkauf an; Preis: 20.000 Euro. Es soll sich tatsächlich ein Käufer gefunden haben, der nun, wer weiß, heimlich oder ganz offen einer olfaktorischen Neigung nachgeht. Schließlich schnuppert er an einem Kunstwerk.

"Pulheim gräbt": Die insgesamt 28 Goldbarren in Stückelung zu 10 und 20 Gramm schlummern seit dem Sommer auf einem städtischen Brach-Grundstück, das jetzt die Goldgräber anzieht. (Foto: Foto: dpa)

Die pure Gier des Habenwollens gehört also seit jeher zur Kunst, genauso wie die Geldvernichtung. Wenn nun im lieblichen Pulheim bei Köln Menschen mit Schaufel gesichtet werden, die leicht irren Blicks wie wild auf die heimische Scholle einhacken, dann handelt es sich dabei gleichermaßen um geschickte künstlerische Sammlerakquise wie um eine Art generöser Payback-Aktion von einem Begünstigten des Betriebs.

Wo ist der goldene Hase?

Der Münchner Bildhauer Michael Sailstorfer hat schon im Sommer auf einem Stück Brachfläche 28 Goldbarren im Wert von 10.000 Euro vergraben, maximal einen Meter tief, heißt es. Außerdem sähte er Senf; nun blüht das Feld in herrlichsten Sonnenkönigfarben - und der Titel der verschwenderischen Edelmetall-Aktion wird zur Schlagzeile: "Pulheim gräbt". Denn wer eines der grammschweren Teile findet, darf es behalten. Manche der Goldsucher rückten gar, ungleich moderner als weiland ihre Vorbilder vom Klondike-Fluss, mit Metalldetektoren an.

Das also kann Kunst hervorrufen: dass ihre Beobachter wieder zu Pimpfen werden, die begeistert im Schlamm buddeln, ohne Rücksicht auf Verluste. Kein Zufall, dass ein Vorbild für diese Goldsuche das Kinderbuch "Masquerade" des Briten Kit Williams war. Der Autor vergrub um 1980 herum irgendwo im Königreich einen juwelenbesetzten goldenen Hasen - wer das Buch las und das Rätsel löste, konnte den Ort erraten. Dazu kam es dann aber nicht. Die Ex von Williams hatte das Versteck schnöde ausgeplaudert. Was für eine Verschwendung!

© SZ vom 31.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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