Kunst-Event:Design-Flachware

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Sponsoren sorgten dafür, dass die Besucher des Forward Festivals in der Alten Kongresshalle allenthalben ihren Spaß hatten. (Foto: @jmvotography)

Das Forward-Festival lockt viele Kreative nach München. Etwas mehr Tiefgang täte der Veranstaltung gut

Von Karen Bauer, München

Am Anfang ist das Problem. Wie kann man nachhaltige Kleidung herstellen? Wie können sich Flüchtlinge, gerade frisch angekommen, in der Stadt, zurechtfinden? Die Lösung: gutes Design. Biologisch abbaubare Textilfasern mit abschraubbaren Knöpfen etwa. Oder universell und sprachübergreifend verständliche Icons, frei zum Download angeboten.

Zum zweiten Mal bietet das zweitägige Forward-Festival in diesem Jahr ein Treffen für Designer und Kreative in München, bringt lokale Akteure und internationale Design-Größen zusammen. Der Festival-Begriff ist etwas irreführend. Zwar lockt die Veranstaltung in der Alten Kongresshalle schon am Nachmittag mit Elektro-Beats und Klubatmosphäre. Aber die Hüpfburg im Innenhof bleibt leer, und das Programm ist vor allem für ein Fachpublikum spannend: Vor allem Grafik-Designer aus dem Raum Deutschland-Österreich-Schweiz sind als Redner eingeladen.

Zu den lokalen Designer gehören die Münchner Jungs von Moby Digg. Die beiden Gründer Maximilian Heitsch und Korbinian Lenzer, Base-Cap mit Hornbrille und Rauschebart, haben Medienmanagement studiert, nicht Design. Trotzdem sind sie längst international erfolgreich und bereichern die Münchner Kulturlandschaft mit ihren Aktionen. Zum Beispiel mit dem "Aaber Award" für junge Kunst oder mit dem Panama-Plus-Festival.

Das Mantra der Designer: ausprobieren, Fehler machen, erneut probieren. Überhaupt geht es viel um den kreativen Prozess an sich, den die Besucher im Obergeschoss auch sprichwörtlich durchlaufen können. Dort gibt es eine Installation in drei Räumen, für drei Phasen des künstlerischen Schaffens: Inspiration, Reflexion, Kreation. Wem das zu abstrakt ist, der kann im Workshop ein Konzept für Markenkommunikation entwickeln. Kernfrage: Welchen Nutzen kann Werbung dem Betrachter bieten? Budget-Grenzen gibt es nicht, Denken nach dem Prinzip "out of the box" ist ausdrücklich erwünscht.

"Ich hab' da ein Projekt, auf das du passen könntest", hört man im Innenhof, der zur Kontakt- und Stellenbörse wird. Die Grafik-Design-Studentinnen Angelika und Sarah sind aus Wismar angereist, Sandra arbeitet für eine Werbeagentur in Hamburg - man duzt sich. Die Teilnehmerinnen sind auf der Suche nach neuen Impulsen. Das Festival bietet ihnen eine Mischung aus Fortbildung und Betriebsausflug. In jedem Fall rückt es München auf den Radar von Designern aus ganz Deutschland, das kann der Stadt nicht schaden. Wie schon 2016 war das Festival auch in diesem Jahr ausverkauft. Die Tickets sind mit 200 Euro im Vorverkauf bzw. 240 Euro für "Late Bird Tickets" für zwei Tage nicht billig, aber günstiger als vergleichbare Veranstaltungen, etwa die Typo Berlin.

Doch liefern viele Redner reine Portfolio-Präsentationen. Ein wenig mehr Tiefe würde dem Forward-Festival, das auch im nächsten Jahr wieder stattfinden soll, guttun. Zum Beispiel - als Gegenpol zur Praxisschau - ein theoretischer Input zur Zukunft des Designs. Oder eine kritische Auseinandersetzung zum Verhältnis von Design und Brands. Dass beide nicht ohne einander können, ist nicht neu. Auf dem Forward-Festival aber stehen die Marken teilweise im Vordergrund: Auf der Bühne läuft in jeder Pause Werbung für einen Software-Hersteller, bei einem Schweizer Taschen-Hersteller kann man seinen eigenen Schlüsselanhänger stanzen und wird so selbst zum Werbeträger. Dazu gibt es an jeder Ecke kostenlosen Bio-Eistee. Und auch manch ein Workshop ist eigentlich Werbefläche für Illustrations-Software.

Immerhin wird das schwedische Design-Kollektiv Snask dem Begriff Festival am Ende des ersten Tages doch noch gerecht. Die Jungs arbeiten sonst für Kunden wie H&M oder Samsung. In München treten sie in Lederjacken und mit Gitarren und Schlagzeug auf, vertonen mit Rockmusik ihre Design-Grundsätze: "Brand yourself damnit", röhrt der langhaarige Sänger ins Mikrofon und reißt sich das T-Shirt vom Leib. Eine provokante und prätentiöse Performance mit großem Unterhaltungswert.

© SZ vom 17.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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